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PR 2620 – Fremde in der Harmonie

PR 2620 – Fremde in der Harmonie

Titel: PR 2620 – Fremde in der Harmonie
Autoren: Christian Montillon
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wachsam.
    Bot sich ihm eine Möglichkeit zur Flucht? Andererseits wusste er nicht, ob dies momentan überhaupt erstrebenswert schien. Es bestand keine unmittelbare Gefahr, und vielleicht stellte sich am Ende die Gefangennahme als großes Missverständnis heraus.
    »Ich entnehme dir nun eine Blutprobe zur genetischen Untersuchung, Jyresca.« Das letzte Wort spiegelte Abscheu.
    »Jyresca?«, fragte Saedelaere.
    »Du bist ein Unharmonischer. Ein Fremder.« Der andere kam näher, hielt eine kleine Amphore in der Hand, an deren Spitze eine Art Düse in winzige Schläuche überging, so fein, dass sie sich im Luftzug der Bewegung durchbogen. »Reich mir deinen Arm.«
    »Ich mag ein Fremder sein«, sagte der Aktivatorträger, während er dem Befehl Folge leistete. »Aber ich bin nicht euer Feind.«
    »Du widersprichst dir selbst.«
    Diese seltsame Antwort nahm Saedelaere hin und erinnerte sich an die Gespräche mit Pridon, bei denen deutlich geworden war, dass die Escalianer geradezu Furcht vor allen Fremden empfanden oder mehr noch: sogar Hass.
    »Welchem Volk gehörst du an? Ich habe schon einmal jemanden wie dich getroffen, soweit ich es beurteilen kann.«
    »Das bezweifle ich.« Der andere setzte die Amphore über Saedelaeres Handgelenk auf die Haut, und die Schläuche kitzelten über die nackte Haut wie feine Spinnenbeine. »Ich bin ein Kandran.«
    Ohne dass Saedelaere nur das Geringste spürte, füllte sich das kleine Gefäß mit seinem Blut. Die dünnen Schläuche bewegten sich nicht mehr, sondern blieben an einer Stelle verankert. »Willst du genetische Untersuchungen mit meinem Blut vornehmen, um ...«
    »Schweig, Jyresca!«
    »Ich kann ...«
    »Sei froh, dass ich dir deine hässliche Maske nicht vom Gesicht reiße, mit der du uns verspottest, Fremder!«
    Darüber solltest du lieber selbst froh sein, dachte der Aktivatorträger. Der bloße Anblick seines Gesichts hätte den Kandran augenblicklich in den Wahnsinn getrieben.
    Inzwischen wusste Saedelaere, dass die Maske als eine Art Statussymbol der Bewohner des Reiches der Harmonie galt, wenn er auch die Ursprünge dieser seltsamen Angewohnheit nicht kannte. Je filigraner, kostbarer und extravaganter sich eine Gesichtsmaske präsentierte, umso höher fiel offenbar der soziale Status ihres Besitzers aus.
    Angesichts seiner eigenen schäbigen Maske wunderte er sich deshalb nicht mehr über entsprechende abfällige Bemerkungen. Allerdings ahnte er, dass hinter diesem Brauch noch viel mehr stecken musste.
    Wenn alle Völker einer Galaxis einen solchen Aufwand betrieben, der im Alltag an vielen Stellen hinderlich war, wie Saedelaere aus eigenem Erleben nur zu gut wusste, gab es zweifellos einen tieferen Grund dafür. Sonst würden nicht Milliarden von Einzelwesen eine solche Einschränkung freiwillig auf sich nehmen.
    Aus Pridons Andeutungen glaubte er darüber hinaus erkannt zu haben, dass die Maske tatsächlich auch einen symbolischen Zweck erfüllte – die Escalianer schienen zum Vergnügen mit Vorliebe verschiedene Rollen zu spielen.
    Hatte die rigorose Behandlung der Herzogin am Ende sogar damit zu tun? Ein bizarrer Gedanke kam ihm: War Rhizinza Yukk am Ende gar keine Herzogin, sondern gab dies nur vor? Und war auch Pridon nicht der, der er zu sein schien?
    Es schien ihm völlig absurd, aber er konnte es nicht mit absoluter Sicherheit ausschließen, solange er die Kultur des Reiches der Harmonie nicht besser verstand. Dennoch glaubte er nicht daran, denn es wäre ein äußerst riskantes und offenbar auch gefährliches Spiel mit den militärischen Mächten.
    Wieder kam ihm das Mahnende Schauspiel vom See der Tränen in den Sinn, das ihm letztlich eine erste Spur zum Reich der Harmonie und damit womöglich zur Frau Samburi Yura gewiesen hatte, die er so verzweifelt suchte.
    Wie hatte es Vetri während des Schauspiels genannt? Der Maskierte tritt in vielen Stücken auf und symbolisiert das Unbekannte, das uns jeden Tag begegnet. Er trägt unsere Freuden und unser Leid in sich, ohne dass wir es sehen können.
    Diese Worte hatten sich in Saedelaeres Gedächtnis gebrannt, auch weil sie vor der Statue eines fremden, schlank aufragenden und maskierten Raumfahrers gesprochen worden waren, der eine irritierende Ähnlichkeit mit ihm selbst aufgewiesen hatte.
    Der Kandran befahl dem Gefangenen, sich auf die Pritsche zu setzen, als die kleine Amphore gefüllt war. Dunkelrot schimmerte Saedelaeres Blut darin.
    »Erzähl mir, was an Bord des Schiffes dieses Mannes namens Pridon
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