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Poul Anderson

Poul Anderson

Titel: Poul Anderson
Autoren: Feind aus dem All
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sich bei mir, und ich brauchte zwei Tage, um die Auflösung meiner Einheit abzuwickeln. Die Leute erhielten ihre Fahrausweise, dazu den restlichen Sold zuzüglich eines Aufschlags als Ausgleich für die Inflation, die als scharfes Messer im Körper unserer sterbenden Wirtschaft wirkte. Wir erhielten Lebensmittelkarten, die in dem Gebiet gültig waren, in das wir reisten, und ein gedrucktes Flugblatt mit den neuen Gesetzen und der Mahnung zum Gehorsam gegenüber den neuen Machthabern. Auch erhielten wir unsere Entlassungspapiere, aber infolge der Textilknappheit durften wir alle unsere Uniformen behalten, ohne die Abzeichen natürlich. Ich schaute mir den geflügelten Stern lange an, nachdem ich ihn von der Uniform getrennt hatte. Dann wickelte ich ihn sorgfältig ein und steckte ihn in meine Hosentasche.
    Der Gebietskommandeur, ein Erdbürger namens Gonzales, brachte mich zum Flughafen. »Wollen Sie nicht noch eine Weile hierbleiben?« lud er mich ein. »Ich rate Ihnen, nicht nach New York zu gehen. Es wurde schwer getroffen. Die Lebensbedingungen sind dort schwierig.«
    »Das ist überall so, Señor«, antwortete ich.
    »Sie haben recht. Wir sind auf eine primitive Zivilisationsstufe zurückgeworfen worden, auf der wir unsere Bevölkerung nicht versorgen können.« Er schnitt eine Grimasse. »Sie können von Glück reden, daß Sie erst nach einem Jahr zurückgekehrt sind. Der letzte Winter und Frühling – schrecklich!«
    »Hungersnot?«
    »Und Seuchen. Die Marsier konnten uns kaum helfen, obwohl ich zugebe, daß sie alle Anstrengungen unternahmen. Aber Millionen sind tot, und das Sterben geht weiter.« Er blickte mit grauem Gesicht über den Flugplatz. Unsere Flagge mit dem Globus und dem Ölzweig flatterte noch im Wind, aber das Marsbanner mit den doppelten Halbmonden war darübergesetzt. »Mit der Unabhängigkeit der Erde ist es vorbei«, sagte er. »Von jetzt an sind wir nichts als Sklaven.«
    »Wir kommen wieder hoch«, sagte ich. »Man soll uns nur zwanzig Jahre geben, damit wir unsere Wirtschaft in Ordnung bringen können. Dann werden wir wieder aufrüsten und –«
    Er zuckte zusammen. »Ich glaube, da ist mir die Herrschaft der Marsier lieber als diese Art von Faschismus, die die Wiedererstarkung notwendigerweise begleiten müßte, Commander«, sagte er. »Die Marsier werden es jedoch gar nicht erst zu solch einem Vorhaben kommen lassen. Unsere Industrie wird demontiert, und die Erde verwandelt sich in eine Welt des Ackerbaus und der Viehzucht. Und so wird es in alle Ewigkeit bleiben – Sie kennen ja den Charakter der Marsier. Sie sind rachsüchtig, aber vorsichtig, vorausberechnend und geduldig.«
    Das war eine drakonische Maßnahme. Unsere Bevölkerung würde auf die Hälfte zusammenschrumpfen, bis die Agrarwirtschaft sich eingespielt hatte – und dann würden die endlosen Jahrhunderte folgen, wo Menschen nur noch als Bauern dahinlebten, als Handwerker, Fischer und Holzfäller. Im günstigsten Fall konnten wir eine untergeordnete Kolonie im marsianischen Imperium werden, weiter nichts. Und auf diese Weise würden wir absichtlich unwissend gehalten werden und verrotten, während Industrie, Wissenschaft und Forschung Privilegien des Mars blieben.
    Zugegeben, ich hätte es an ihrer Stelle genauso gemacht. Unsere Lage war manchmal so günstig, wir waren zeitweise so nahe daran gewesen, sie restlos zu vernichten – ach, wenn es nur ein paar kluge Köpfe im Generalstab gegeben hätte, wir hätten den Mars nach fünf Jahren Krieg besetzen können! Stattdessen begingen wir einen haarsträubenden Fehler nach dem andern, und nur der Umstand, daß die Marsier genau solchen Blödsinn verzapften, verdankten wir es, daß wir so lange aushielten. Allerdings war das der erste Raumkrieg der Geschichte, und man konnte unmöglich erwarten, daß die Kriegsführung jede Möglichkeit voraussah; trotzdem war es merkwürdig, welch grobe Schnitzer beide Seiten machten. Auf diese Weise wurde ein scharfer kurzer Schlag zu einem zwanzig Jahre währenden zermürbenden Krieg ausgewalzt.
    Aber nun war es zu spät. Zu spät für immer.
    »Leben Sie wohl, Commander«, sagte Gonzales. »Ich wünsche Ihnen alles Gute.«
    »Ich Ihnen auch«, erwiderte ich und schüttelte ihm die Hand. »Oder auch uns allen.«
    »Wir können's alle brauchen, Commander«, sagte er.
    Der Raketenflug nach New York verlief ohne besondere Ereignisse. Meine Reisegefährten, alles Erdbewohner, alle schäbig gekleidet und mit einem bitteren Zug um den Mund,
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