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Poul Anderson

Poul Anderson

Titel: Poul Anderson
Autoren: Feind aus dem All
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sie über das Tagebuch ausfragen.«
    »Jawohl, Exzellenz. Sofort.« Der Unteroffizier verließ den Raum.
    Der Oberste Souverän fuhr mit der Lektüre fort.
     
    Damit ich keine Einzelheiten auslasse, mit denen man die Richtigkeit der Aufzeichnungen kontrollieren kann, werde ich alle Ereignisse bis zu den winzigsten Kleinigkeiten wie Gesprächen und unmittelbaren persönlichen Eindrücken und Empfindungen schildern, natürlich nur insoweit ich sie aus dem Gedächtnis rekonstruieren kann. Wenn deshalb mein Tagebuch wie Phantasterei erscheint, so bedauere ich das zwar, bitte aber trotzdem jeden Leser, die Aufzeichnungen geheimzuhalten und Rafael Torreos zu überbringen, der früher Colonel der UN-Inspektionsgruppe war und zur Zeit in Sao Paolo, Brasilien, wohnt. Das Schriftstück soll nur ihm persönlich ausgehändigt werden.
    Wenn ich im folgenden etwas weitschweifig in meiner Schilderung bin, möge man mir verzeihen. Früher hatte ich einmal die Absicht, Romane zu schreiben. Vermutlich ist dies hier die letzte Gelegenheit für mich, schriftstellerisch tätig zu sein. Deshalb werde ich in epischer Breite ganz nach meinem Geschmack den Hergang der Ereignisse schildern.
     
    »Torreos«, sann der Oberste Souverän. »Die Frau hat seinen Namen nicht erwähnt ... Ach ja. Er arbeitete mit den Marsbewohnern zusammen ... Hm, wir lassen ihn am besten gleich festnehmen, für alle Fälle.«
    Das Glockenspiel ertönte wieder. Die Tür öffnete sich, und diesmal befand sich der Unteroffizier in Begleitung zweier Wachsoldaten, zwischen denen eine Frau ging. Normalerweise hätte sie bestimmt gut ausgesehen, sogar jetzt noch schien ihr blondes Haar aus goldenen Fäden gewoben zu sein, die das Licht tausendfach reflektierten. Doch ihr Gesicht war bleich, ihre Augen gerötet, und sie zitterte unablässig.
    »Christine Hawthorne«, fragte der Oberste Souverän ohne Umschweife, »haben Sie dieses Heft hier schon einmal gesehen?« Seine Stimme war ruhig und beherrscht, und er bemühte sich, akzentfrei zu sprechen.
    »Wo ist mein Kind?« fragte sie verzweifelt. »Was haben sie mit ihm gemacht?«
    »Dem Kind geht es gut«, sagte er. »Man wird es Ihnen bald zurückgeben, wenn Sie loyal mit uns zusammenarbeiten.«
    »Habe ich noch nicht genug Opfer gebracht?« fragte sie dumpf. »Genügt es nicht, daß ich David und Reggy verriet und damit unser ganzes Volk?«
    »Sie Schemen nicht zu begreifen, daß unser Sieg endgültig ist«, sagte der Oberste Souverän mit eisiger Stimme. »David Arnfeld, Regelin und Coruthan sind tot. Ihren Nachlaß haben wir beschlagnahmt. Immerhin waren Sie es, die ihren Untergang heraufbeschworen hat, nicht wahr?«
    »Ich weiß«, sagte sie.
    »Ihre phantastische Geschichte, soweit sie überhaupt bekannt wurde, ist inzwischen längst widerlegt, berichtigt, begraben und vergessen. Sie als letzte Überlebende sind unsere Gefangene – und offiziell genauso tot wie Ihre Mitverschwörer. Niemals werden wir Sie wieder freilassen. Verhalten Sie sich dementsprechend! Nun, haben Sie dieses Heft jemals zu Gesicht bekommen?«
    Sie kam näher und betrachtete es genauer. »Ja«, sagte sie schließlich. »Es lag in der Blockhütte, als wir hinkamen. David schrieb jeden Tag darin, und später versteckte er es, kurz vor dem Ende. Er sagte weder mir noch Reggy, wo er es verborgen hatte, damit wir das Versteck nicht verraten konnten, wenn man uns gefangennahm.«
    »Er hätte sich denken können, daß wir alles genau durchsuchen würden. Immerhin, er hatte nichts zu verlieren.« Der Oberste Souverän schnippte mit den Fingern. »Führt sie ab.« Als die Gruppe die Tür erreichte, fügte er, einer freundlichen Regung folgend hinzu: »Sie können ihr das Kind schon jetzt zurückgeben.«
    »Danke«, flüsterte sie.
    Die Tür schloß sich hinter ihnen. Der Oberste Souverän seufzte und lehnte sich zurück. Wieder überfiel ihn die Müdigkeit. Die Jagd hatte lange gedauert.
    Nun, er las vielleicht doch besser diese Aufzeichnungen selbst. Ein ausführlicher Bericht der wichtigen Zeitspanne aus Sicht des Feindes konnte ihm wertvolle Hinweise vermitteln.
    Er überflog kurz den Abschnitt, der den Lebenslauf Arnfelds betraf. Verschiedene Einzelheiten kannte er schon. David Arnfeld wurde im Jahre 2017 im nördlichen Teil New Yorks als Sohn reicher Eltern geboren. Er war fünf Jahre alt, als der Krieg ausbrach, mit zwölf wurde er zur Raumkriegsschule abkommandiert, mit sechzehn trat er in den Dienst der Raumstreitkräfte ein, und seitdem hatte er
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