Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Postkarten

Titel: Postkarten
Autoren: Annie Proulx
Vom Netzwerk:
Brustkorb, der fest in das Metallgitter verklemmt war. Die Eingeweide rausgerissen. Will auf die Straße! Die Stoßstangenaufkleber lesen! Jo! Genauuu! Ein Habicht schrie.
    Er machte das Bier auf, setzte sich vor den Fernsehapparat. Der Bildschirm war blau. Füllte sich dann mit rothäutigen, gepuderten jungen Männern, die auf Stühlen saßen. Um ihre Hälse hingen goldene Kreuze. Ein wahnsinniger, aber berechnender Mann saß vor ihnen auf einem hölzernen Thron. Er trug eine Lederjacke und las laut einen Artikel über Ameisen vor. Alle paar Minuten ließ er die Zeitschrift sinken, schnalzte mit der Zunge und sagte, die Blattschneiderameisen seien genauso wie einige Kirchenleute, die er kenne; würden immer das beste Stück für sich reservieren. Jo! Kevin machte sämtliche Bierdosen auf und reihte sie vor sich auf. Wie lange war er schon hier? Sechs Wochen? Sechs Jahre? Er war fertig. Jo! Ja! Er schaltete auf den Pornokanal um und sah sich den vorgetäuschten Geschlechtsverkehr an, sah einer blonden Hure zu, die mit einer großen, losen blauen Zunge, ähnlich der eines Hirsches, an einem Mann zugange war. Oder etwas Ähnlichem wie einem Mann.
    Fuhr zum Laden, um Bier zu holen. Buddy lehnte sich über den Tresen, um das Geld entgegenzunehmen. Eine geschwollene Hand, die den Tresen entlangglitt. Ein Unterarm, so dick wie ein Oberschenkel. Vorhaut wie eine Bananenschale.
    Schwarze Zähne. »Jo! Ja! Jaha! Ja! Okay! Sie haben’s raus! Aber sicher! Sie sind ein guter Kerl! Wollen Sie’ne Tüte? Okay! Aber sicher!«
    Auf dem Rückweg nahm er eine falsche Abzweigung und rumpelte durch die Schlaglöcher der Wohnwagensiedlung. Er fuhr die matschigen Wege auf und ab, unfähig, einen Weg heraus zu finden. Er fuhr immer wieder an ausgebrannten Wohnwagen vorbei, an Drahtrollen, einem torkelnden Mann mit Haaren wie Zementbrocken, die Hose urindurchnäßt. Die Bäume waren wie Röhren. Der Himmel war ein Röntgenbild. Ein rotes Plastikpferd auf Sprungfedern in den Brennesseln. Eine Nadel. Kristall. Rotes Wasser. Die Wohnwagen standen immer dichter zusammen. Über ihm fauchte ein Kampfflugzeug. Gelbäugige Hunde an Ketten. In den Türen Frauen mit Bierdosen, Zigaretten oder Babys in der Hand. Sie beobachteten ihn. Er fuhr schneller. Das Auto rutschte in den schmierigen Furchen. Plötzlich lag der Ausgang vor ihm, als hätten ihn Hände ihm zuliebe aus dem Boden gehoben. Männer lehnten an Kotflügeln, oberhalb ihrer schmierigen Hosen waren die Spalte in ihren Hintern zu sehen. Das Flugzeug erschütterte die Bierdosen.
    Er fuhr den Hügel hinauf. Der Kondensstreifen füllte die Windschutzscheibe aus. Der Lärm war unerträglich. Er rannte in die Hütte, um die Flinte zu holen. Eine silberne Kapsel am Ende der Kotzspur. Er drückte ab. Wieder. Und wieder!
    Aber sicher! Aber sicher!

58
    Was ich sehe
    Loyal, in etwas eingerollt, sieht durch geschlossene Augenlider. Die steif werdenden Lungen festgefressen, das Herz am Ertrinken.
    Das Buch des Indianers klappt auf. Mit Erstaunen sieht er, daß die Seiten die große, ansteigende Wiese sind. Oben am Rand der Wiese ein schwarzes Gekritzel aus Bäumen, eine Mauer. Und durch die Wellen des Dunkelwerdens sieht er, wie der Wind das abfallende Land hinabströmt, das Gras hinabrollt; die roten Grannen, die das Sonnenlicht streicheln, die funkelnden Nadelhalme, die dicht bewachsene Erde, die Wurzel, den Stein.

Dank
    Ich danke dem Vermont Council on the Arts und der Ucross Foundation of Ucross, Wyoming, für die finanzielle Unterstützung beim Schreiben dieses Buches.
    Die Hilfe, die mir die Bibliothekare der Dartmouth College Libraries in Hanover und der Sheridan County Fulmer Public Library in Sheridan, Wyoming, angedeihen ließen, weiß ich zu schätzen.
    Viele Menschen erleichterten mir die Arbeit an diesem Werk durch Zeit, Ratschläge, Geld, gemeinsame Mittagessen, Hilfe im Garten, Aufmunterung, Schweigen, Grillfeste, Musik. Ich danke euch, Roberta Roberts, Tom Watkin, Elizabeth Guheen, Laurent Gaudin, Lois Gill, Abigail Thomas, Bob Jones, Gordon Farr, John Glusman, Ernie Herbert. Mein besonderer Dank gilt meiner Lektorin Barbara Grossman und meinen Söhnen Jonathan, Gillis und Morgan Lang.

Die Originalausgabe erschien 1992 unter dem Titel »Postcards« bei Scribner’s, New York.
     
    Verlagsgruppe Random House
     
     
    1. Auflage
    Genehmigte Taschenbuchausgabe August 2007,
btb Verlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München
    Copyright © der Originalausgabe 1992 by Dead Line
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher