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Postkarten

Titel: Postkarten
Autoren: Annie Proulx
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mit mir herum.«
    Gott, er haßte den kleinen Scheißer. »Dann bring’ ich das Teil eben woandershin.« Er dachte an Irrer Blick, und plötzlich fiel ihm Horsley ein, der Paläontologe mit der sonnenverbrannten Frau. Die Tage mit dem alten wie hieß er noch.
    »Ich bring’s zu Horsley.«
    »Horsley? Fantee Horsley?« Garch lächelte säuerlich. »Horsley ist tot. Starb beim Ausbruch des St. Helena. Im Urlaub. Ironie des Schicksals. Außerdem arbeitete er auf einem anderen Gebiet, hatte nichts mit Fulgurit zu tun.«
    »Dann nehme ich es einfach mit.«
    »Passen Sie auf, Mr. - ich weiß Ihren Namen nicht.« Er wartete, aber Loyal sagte nichts. »Passen Sie auf, so läuft die Sache einfach nicht, alter Knabe.« Er zwang sich zu Geduld. »Sie können nicht einfach von der Straße in eine Uni reinlaufen und etwas verkaufen, egal, wie interessant es wissenschaftlich ist. Es gibt Institute, Etats und Ankaufformalitäten. Kanäle. Das hier fällt nicht in mein Gebiet. Ich bin auf kraniale Osteologie von Hadrosauriern spezialisiert. Ich müßte erst einmal herausfinden, wer sich für so ein Ding interessiert - vielleicht einer von den Petrologen. Vielleicht ein Geologe.«
    Loyal fing an, das Ding wieder in Zeitungspapier zu wikkeln. Der komische Kauz mit dem Cowboyhut in Utah, der immer Knochen kaufte. Er würde es kaufen. Er würde es kaufen, sobald er es sähe. Loyal erinnerte sich genau, wo der Ort war, konnte ihn deutlich vor sich sehen, die Art, wie die staubige Straße am Fuß der Berge scharf nach links bog, durch die mit Gestrüpp bewachsenen Hügel und die Flußtäler führte, und nach einer Weile kam die Kneipe des Knochenmannes mit dem Hinterzimmer voll Kisten, in denen solche Dinge lagen, Fulguritknochen.
    »Wenn Ihnen danach ist«, sagte Garch, »aber Sie machen meiner Meinung nach einen Fehler.«
    »Kein Fehler«, sagte Loyal und ging. Hoffentlich hatte er genug Sprit, um es bis zum Knochenmann zu schaffen. Wenn der Ort nicht in Utah lag, dann lag er in Montana. Er würde die Straße erkennen, sobald er sie sah. Das war klar, sonnenklar.
    Die Sekretärin blickte von ihrem Computer auf, einem leuchtenden Bildschirm, in dem ein bunter geometrischer Film lief.
    »Haben Sie ihn gefunden?«
    »Das hab’ ich jetzt vor. Jemanden finden, der nicht ein Jahr lang mit der Hand am Arsch rumsteht. Welche Stadt ist das hier?«
    »Welche Stadt? Das ist immer noch Rapid City, genauso wie heute morgen.«

54
    Was ich sehe
    Er ist auf der falschen Straße, steckt im zähflüssigen Verkehr fest. Er kann die Straßenschilder nicht lesen, bis er gleichauf mit ihnen ist, zu spät, um auf die richtige Spur zu wechseln und die Ausfahrt anzusteuern. Wo zum Teufel ist er? Es ist neblig. Naß. Tausende von Gänsen fliegen über ihn, überqueren mit sicheren Flügelschlägen schräg die Straße. Sie schwimmen auf Gräben und Seen, überfliegen den sich schlängelnden Fluß, stoßen immer wieder die gleichen nasalen Schreie aus, als würden Scharen wütender Bittsteller durch das Schilf marschieren. Er fährt langsam. ACHTUNG BAUSTELLE 75 KM. Die Straße verengt sich zu einer Spur, verschmiert mit Erdklumpen, Sperren auf Metallbeinen zwingen ihn, halb auf der Bankette zu fahren. Stromleitungen senken sich, steigen an, senken sich. Weißer Draht.
    Vor ihm, Richtung Norden, Transporter, Anhänger mit schlammverspritzten Geländefahrzeugen, Autos, die Motorboote ziehen, die ihre Reifen über die Entfernung glattfahren. Überall im Land schwärende Wunden, und die Bulldozer reißen daran.
    Die warnende Stimme im Radio spricht von Untersuchungen, die ergeben haben, daß das Trinkwasser in Fan Hill verunreinigt ist, die Bewohner sollen sich mit jemandem in Verbindung setzen. Über eine baufällige Brücke, auf der bloßliegende Kabel zerfranste Rostblumen bilden, vorbei an verbogenen Auspuffrohren und schwarzen Halbmonden aus Reifen. Die Gänse verschwinden in der qualmenden Ferne. Der Verkehr kriecht dahin, weil Zubringerstraßen noch mehr Autos und zischende Lastwagen mit hohen Ladeflächen einspeisen. In der schmutzigen Luft kann er nicht sagen, wohin er fährt.
    Oberhalb der Straße steht ein Lokal. Der Verkehr strömt auf die Zufahrt, angelockt von einem bemalten Dach, Versprechungen von Steaks und frisch zubereitetem Frühstück. Er schafft es, hinzufahren. Der Nebel wird sich auflösen, während er Kaffee trinkt. Kaffee, um einen klaren Kopf zu bekommen.
    Die Gäste lehnen an einer goldfarbenen Theke. Männer lesen die Sportmeldungen.
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