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Post Mortem

Post Mortem

Titel: Post Mortem
Autoren: Jonathan Kellerman
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Mutter?«
    »Ich glaube schon. Tanya war der einzige Mensch, den Patty in ihrem Krankenzimmer duldete. Sie scheint nett zu sein. Sie besucht Einführungskurse fürs Medizinstudium, Psychiatrie oder Neurologie, wie sie mir erzählte. Vielleicht hast du einen guten Eindruck bei ihr hinterlassen.«
    Er stand auf, streckte die Arme über den Kopf, setzte sich wieder.
    »Alex, das arme Ding ist noch nicht mal zwanzig Jahre alt, und sie ist allein.« Er griff nach seinem Kaffee, starrte in die Tasse, trank nicht. »Hattest du irgendeinen besonderen Grund dafür, hier vorbeizukommen?«
    »Ich habe mich gefragt, ob es irgendwas gibt, was ich über Patty wissen sollte.«
    »Sie wurde krank, sie starb, das stinkt zum Himmel«, sagte er. »Warum glaube ich nur, dass es nicht das ist, was du hören willst?«
    Ich überlegte, wie viel ich ihm sagen sollte. Man konnte ihn als den überweisenden Arzt ansehen. Oder vielleicht auch nicht.
    »Dass Tanya mich sehen wollte«, sagte ich, »hat nichts mit Trauer zu tun. Sie will über eine »schreckliche Sache‹ reden, die Patty auf dem Sterbebett gebeichtet hat.«
    Sein Kopf schnellte ruckartig nach vorn. »Was?«
    »Das ist alles, was sie am Telefon gesagt hat. Ergibt das einen Sinn für dich?«
    »Klingt lächerlich für mich. Patty war der moralischste Mensch, den ich kennen gelernt habe. Tanya steht unter großem Stress. Menschen sagen alle möglichen Dinge, wenn sie unter Druck stehen.«
    »Das könnte es sein.«
    Er dachte nach. »Vielleicht war diese »schreckliche Sache‹ Pattys schlechtes Gewissen, weil sie Tanya zurückließ. Oder sie hat nur Unsinn geredet, weil sie so krank war.«
    »Hat die Krankheit ihre Wahrnehmung beeinträchtigt?«
    »Das würde mich nicht überraschen, aber das ist nicht mein Gebiet. Sprich mit ihrer Onkologin, Tziporah Ganz.« Sein Piepser ertönte, und er las die SMS vor. »Beverly Hills Rettungssanitäter, Infarkt trifft jeden Moment ein… Ich muss jemanden zu retten versuchen, Alex.«
    Er brachte mich durch die Schiebetür, und ich dankte ihm dafür, dass er sich die Zeit genommen hatte.
    »So wenig es auch gebracht hat. Ich bin sicher, dass sich dieses Drama in Wohlgefallen auflöst.« Er rollte mit den Schultern. »Ich dachte, du und der Große, ihr würdet den Rest des Jahrhunderts im Gericht festsitzen.«
    »Der Fall wurde heute Morgen abgeschlossen. Überraschendes Schuldbekenntnis.«
    Sein Piepser ging wieder los. »Vielleicht ist er das, um mir die gute Nachricht zu verkünden… Nein, weitere Daten aus dem Rettungswagen… sechsundachtzigjähriger Mann mit unterirdischem Puls…
    Zumindest haben wir es hier mit einer vollen Lebensspanne zu tun.« Er verstaute den Piepser wieder. »Natürlich ist es nicht so, als ob man solche Werturteile fällen würde.«
    »Natürlich.«
    Wir schüttelten uns wieder die Hand.
    Er sagte: »Die primäre schreckliche Sache‹ ist, dass Patty nicht mehr unter uns ist. Ich bin sicher, es wird alles darauf hinauslaufen, dass Tanya unter großem Stress steht. Du wirst ihr dabei helfen, damit fertigzuwerden.«
    Als ich mich zum Gehen wandte, sagte er: »Patty war eine tolle OP-Schwester. Sie hätte zu einigen dieser Feiern kommen sollen.«

3
    Mein Haus liegt oben über dem Beverly Glen, papierweiß und scharfkantig, eine blasse Wunde in all dem Grün. Manchmal, wenn ich so darauf zufahre, kommt es mir wie ein fremdes Haus vor, entworfen für jemanden ohne viel Feingefühl. Drinnen hat es hohe Wände, große Fenster, harte Böden und weiche Möbel, um die Kanten abzumildern. Ein bestimmtes Schweigen, mit dem ich leben kann, weil Robin wieder da ist.
    In dieser Woche war sie nicht zu Hause, sondern auf einem Lautenisten-Kongress in Healdsburg, wo sie zwei Gitarren und eine Mandoline vorführte. Ich wäre vermutlich mit ihr gefahren, wenn der Prozess nicht gewesen wäre. Wir sind nach zwei Trennungen wieder zusammen und scheinen es diesmal richtig hinzubekommen. Wenn ich anfange, mir über die Zukunft Gedanken zu machen, zwinge ich mich, wieder damit aufzuhören. Wenn man hochtrabend werden möchte, könnte man es kognitive Verhaltenstherapie nennen.
    Mit ihren Kleidern, ihren Büchern und ihren Zeichenstiften brachte sie einen zehn Wochen alten beigefarbenen Bully-Welpen mit ins Haus und überließ mir die Ehre, ihm einen Namen zu geben. Da die Hündin in der Gesellschaft von Fremden aufzublühen schien, taufte ich sie Blanche.
    Sie ist jetzt sechs Monate alt, ein runzliger, weichbäuchiger, plattgesichtiger Ball
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