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Poseidon - Der Tod ist Cool

Poseidon - Der Tod ist Cool

Titel: Poseidon - Der Tod ist Cool
Autoren: Markus Wand
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doch mal an dich!“
    Frenzel hielt kurz inne.
    „Ich mache mir eben Sorgen, geht das in deine Birne?“
    Frenzels Blick durchbohrte Nowotny.
    „Die letzten Wochen waren wirklich hart. Mir hängt noch unser letzter Fall in den Knochen. Die Angelegenheit mit dem pädophilen Kindermörder hat sich wie ein Krebsgeschwür in mein Fleisch gefressen. Die Gedanken daran kommen immer wieder in mir hoch. Sie lähmen mich, machen mich träge, rauben mir die Kraft.“ Nowotny hatte Schwierigkeiten, den Satz zu Ende zu bringen.
    Es kostete ihn unglaublich viel Energie, darüber zu sprechen, sich sogar seinem Freund zu öffnen. Er hatte aber den seltsamen Eindruck, Frenzel wüsste sowieso Bescheid.
    „Wie kommst du eigentlich damit klar?“ Nowotny schnippte den Rest der Zigarette auf den Bürgersteig, drehte sich zu Frenzel. „Fast alle deiner Kollegen hatten Hilfe vom Polizeipsychologen nötig. Du bist nicht zu ihm, soweit ich mich erinnern kann, oder?“
     
    Die Frage schwang zu Frenzel hinüber, hing wie ein Strick über ihm. Je länger er mit der Antwort wartete, desto mehr schwebte das Tau an ihn heran, schmiegte sich um seinen Hals. Sein Mund wurde trocken und das Atmen fiel ihm zunehmend schwerer. Es schnürte ihm die Kehle zu. Er schloss sein Auge.
     
    Die Hütte brennt.
    Die gottverdammte Hütte brennt lichterloh.
    Die Hitze zertrümmert die Scheiben, die Dachziegel zerspringen.
    Ich höre das Heulen der Sirenen.
    Ich höre das Rufen der Kollegen.
    Ich.
    Höre.
    Kinder.
    Das Schreien der Kinder.
    Höre.
    Nichts.
    Anderes.
    Mehr.
    Ich umrunde die Scheune, suche fieberhaft nach einer Möglichkeit, die Feuersbrunst zu überwinden, ins Innere vorzudringen. Da - der hintere Teil wurde noch nicht von der Feuerwalze erfasst, die sich durch die Hütte frisst! Ich renne darauf zu. Erblicke eine Tür! Ich werfe mich mit ganzer Kraft dagegen. Ein stechender Schmerz reißt meine Schulter fast in Stücke. Die Tür gibt nach, bricht nicht.
    Die Schreie werden verzweifelter.
    Dringender.
    Entgültiger.
    Ich werfe mich erneut gegen das Holz, das Brüllen meiner Schulter zwingt mich in die Knie, nimmt die Luft zum Atmen. Mir wird schwarz vor Augen.
    Stille - für einen kurzen Augenblick. Der Lärm der zu Boden krachenden Tür holt mich zurück.
    Ich stürme ins Haus.
    Die Hitze explodiert auf meiner Kleidung, tobt auf meiner Haut, saugt sich in mein Gesicht. Feuer fließt durch meine Lungen.
    Das Zimmer ist leer. Ich stürme ins Nächste.
    Dort sehe ich sie.
    Angekettet.
    Die beiden vierjährigen Mädchen.
    Abgemagert.
    Laura und Elisabeth.
    Verwahrlost.
    Zwillingsschwestern.
    Seit zwei Monaten spurlos verschwunden, wie die sechs anderen Kinder, die später tot im betonierten Keller gefunden wurden.
    Verhungert, den eigenen Kot und die eigenen Haare im Magen.
    Missbraucht.
    Ich stürme auf die kleinen Geschöpfe zu. Sie liegen bewusstlos am Boden. Ich nehme sie auf meinen Arm, strecke die Fesseln aus Stahl in ihre ganze Länge, drehe meinen Körper schützend vor die Kinder, um sie vor den Querschlägern zu schützen, ziehe meine Waffe und schieße ohne Unterlass auf die dampfenden Kettenglieder. Immer wieder reiße ich mit aller Kraft daran – die Schmerzen in meiner Schulter versanden in der Glut des Raumes. Ein von der Decke herabtropfender Ausläufer des Infernos verbrennt meine Haare, die Haut zerkocht zu Brei.
    Plötzlich scheint die Zeit zu schmelzen.
    Ich sehe mich in diesem Raum mit den Fesseln kämpfen, das Klicken des leeren Magazins klingt wie das Lachen des Wahnsinnigen, der sich und große Teile der Hütte mit Benzin übergossen und angezündet hatte, als er Wind von unserer Aktion bekam. Sehe mich schreiend den Stahl zerreißen. Brennend die Kinder aus dem Hause schleppen, strauchelnd, fast blind. Den letzen kleinen Tunnel nutzend, den das Feuer uns noch lässt.
    Schmerz.
    Unbeschreiblicher Schmerz.
    Und dann nichts mehr.
     
    Frenzel sah zu Boden.
    Die Farbe des Asphalts hatte nichts von seiner Traurigkeit verloren. Sie nagelte ihn fest. Ließ ihn nicht los. Zog ihn zu sich hinab.
    Machtlos zerschnitt er die Bande und blickte zu Nowotny hinüber. Ohne ein Wort öffnete er die Fahrertür, klemmte sich hinter das Steuer und startete den Wagen.
     
    Für diese Antwort war er nicht bereit.
    Noch nicht.

9. Kapitel
     
    Frenzel steuerte den Wagen in den Hinterhof der Altbausiedlung. Der Kies knirschte unter den Reifen - ein Geräusch, dass er liebte. Es erinnerte ihn an seine ersten Fahrversuche mit dem Auto eines
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