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Porträt eines Süchtigen als junger Mann

Porträt eines Süchtigen als junger Mann

Titel: Porträt eines Süchtigen als junger Mann
Autoren: Bill Clegg
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uns schon zweimal mit komplizierten Entschuldigungen von wegen Krankheit und familiären Gründen versetzt hat. Also sage ich:
Vielleicht solltest du besser aufpassen, was du rauchst
, und als er lächelnd fragt:
Passt du denn auf?
, weiß ich, dass sich daraus was entwickeln wird. Dass der Ball im Spiel ist. Später wundere ich mich darüber, was ich als Nächstes sage:
Nicht so, wie es nötig wäre.
Und dann:
Irgendwann sollten wir das regeln.
     
    Ich schmeiße in Noahs Abwesenheit eine Party in der Wohnung. Es ist Donnerstagabend, und ich habe schon dafür gesorgt, dass ich am nächsten Tag nicht arbeiten muss. Den ganzen Abend stelle ich mich müde, gähne, recke mich, reibe mir die Augen in der Hoffnung, dass die Leute zeitig gehen. Ich male mir den ersten Hit aus und die herrliche Ruhe, die er bringen wird, und verachte still und heimlich alle, die noch in der Wohnung sind. Ich spaziere mit meinem Seltzer umher – das trinke ich immer bei größeren Festen –, und während ich rede und lächle und mit herzlichen Umarmungen Glück wünsche und mich fürs Kommen bedanke, gehe ich im Kopf durch, was noch zu tun ist. Mich bei Noah melden und ihm weismachen, dass der Abend gelaufen ist, ich reif fürs Bett bin. Am Geldautomaten drei- oder vierhundert Dollar für Stephen abheben, damit er losziehen und Steine kaufen und Röhrchen besorgen kann. Außerdem brauche ich noch mindestens dreihundert, um ihn fürs Servieren zu bezahlen, da er nur Bargeld nimmt. Ich werde ihm sagen, dass er nicht aufzuräumen braucht – dass ich das übernehme, damit er sich auf den Weg machen kann.
     
    Stephen geht gegen Viertel nach elf und kommt nach eins zurück. Ich habe gerade die Bar saubergemacht, die Gläser gespült, Wasser und Servietten weggeräumt. (Er wird die Zeit mit auf die Rechnung setzen.) Diese Nacht ist wichtig. Nicht, weil ich zum ersten Mal mit ihm schlafe. Nicht, weil ich wieder 700 Dollar ausgebe, die ich kaum noch habe. Sondern weil Stephen gegen vier Uhr früh, als wir die Tüte fast aufgeraucht haben, seinen Freund Mark anruft, der in Minutenschnelle mit Nachschub auf der Matte steht.
     
    Mark ist Gourmetjournalist. Groß, gepflegt, kantig. Mir fällt sofort auf, wie er vibriert. Als ob sein Körper ständig leicht unter Strom steht. Und mir fällt auf, wie er mit Stephen spricht. Er scheint Macht über ihn zu haben wie Dickens’ Fagin über den Schlaufuchs, und obwohl er sich offensichtlich von seiner besten Seite zeigt, merke ich, dass eine Mischung aus Brutalität und liebender Sorge ihre Beziehung bestimmt. Während Mark unsere Röhrchen hochhält und bemängelt, wie fettig und versengt sie sind, umflattert ihn Stephen wie eine nervöse Krankenschwester, die einem Chirurgen assistiert. Mark bedenkt ihn mit einem Wie-kann-man-nur-Blick und schüttelt den Kopf. Stephen sagt ihm nicht, dass sie meinetwegen so versengt sind. Dass ich jedes Mal zu lange an der Pfeife ziehe und die Flamme zu hoch drehe. Das beanstandet jeder, der mit mir raucht. Ich versuchte zwar möglichst sanft zu inhalieren, aber es kommt mir immer vor, als ob ich nicht fest genug ziehe, als ob die Flamme zu klein ist, als ob ich nicht genug abkriege.
     
    Irgendwann nach Marks Ankunft hört Stephen auf, sich im Gespräch an mich zu wenden. Offenbar gilt eine neue Regel, nach der nur Mark mich ansprechen darf, und wenn er das tut, ist er immer furchtbar höflich und schwelgt in Komplimenten (meine Wohnung, mein Aussehen). Es ist wie das Vorspiel zu einer großangelegten Abzieherei, und statt skeptisch oder auf der Hut zu sein, bin ich angetan.
     
    Die Nacht schleppt sich bis ungefähr zehn Uhr früh hin. Dann spazieren Stephen und Mark hinaus in den Tag, und ehe es Samstagabend ist, habe ich sie erneut zu mir eingeladen. Montag früh ist mein Bankkonto leer, und Mark hat vorgeschlagen, dass er und ich uns im Lauf der Woche mal allein treffen. Noah ruft etwa ein Dutzend mal an, und ich lasse das Telefon klingeln, schalte das Handy ab und rufe ihn nicht zurück. Montagnachmittag kommt mein Assistent zu mir ins Büro und sagt, Noah sei am Apparat, er sei außer sich und wolle mich unbedingt sprechen. Ich schließe die Tür, und Noah weint am anderen Ende und sagt mir, ich solle doch bitte aufhören. Hör doch bitte, bitte damit auf! Ich fühle mich furchtbar und sage, ja klar, es tut mir leid, und es kommt nicht wieder vor. Er fragt nach Einzelheiten, und ich werde wütend. Erstaunlicherweise entschuldigt er sich. Ich werfe Stephens
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