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Poor Economics

Poor Economics

Titel: Poor Economics
Autoren: Abhijit Banerjee , Esther Duflo
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nicht gegeben sind. In solchen Fällen sollte die Regierung unterstützend einspringen, um
die notwendigen Bedingungen für den Markt zu schaffen, oder, wenn das nicht funktioniert, in Erwägung ziehen, die entsprechenden Dienste selbst anzubieten.
    Das kann unter Umständen die kostenlose Abgabe von Gütern oder Dienstleistungen bedeuten (zum Beispiel Moskitonetze oder kostenlose Besuche im Gesundheitszentrum) oder sogar eine Belohnung für Menschen, die etwas tun, das gut für sie ist – so seltsam das auch klingen mag. Das Misstrauen verschiedener Experten gegenüber kostenlosen Gütern oder Dienstleistungen ist vermutlich übertrieben, selbst unter dem reinen Kostengesichtspunkt. Oft kommt es billiger, eine Dienstleistung umsonst anzubieten als pro forma eine Gebühr zu erheben. In manchen Fällen kann es helfen, dafür zu sorgen, dass der Marktpreis für ein Produkt so attraktiv gestaltet wird, dass sich ein Markt entwickeln kann. Regierungen könnten beispielsweise einen Teil der Versicherungsprämien übernehmen oder Gutscheine verteilen, mit denen Eltern ihre Kinder auf eine Schule ihrer Wahl schicken können, sei sie nun öffentlich oder privat, oder sie könnten Banken zwingen, gegen eine Schutzgebühr für jeden, der das möchte, ein kostenloses Sparkonto ohne jeden Schnickschnack einzurichten. Dabei muss man im Auge behalten, dass solche subventionierten Märkte sorgfältig reguliert werden müssen, damit sie gut funktionieren. Schulgutscheine funktionieren zum Beispiel dann gut, wenn alle Eltern die Möglichkeit haben herauszufinden, welche Schule für ihr Kind die richtige ist; wenn das nicht der Fall ist, verschaffen Schulgutscheine gebildeten Eltern eher noch mehr Vorteile.
    Viertens sind arme Länder nicht allein deshalb zum Scheitern verurteilt, weil sie arm sind oder weil sie auf eine unselige Vergangenheit zurückblicken. Es ist tatsächlich so, dass in diesen Ländern vieles nicht funktioniert: Programme, die den Armen helfen sollten, unterstützen die Falschen, Lehrer unterrichten dann und wann oder überhaupt nicht, wegen Unterschlagung mangelhaft gebaute Straßen brechen unter der Last überladener Trucks zusammen und so weiter. Aber viele dieser Versäumnisse
haben weniger mit einer großen Verschwörung der um ihre Pfründe besorgten Elite zu tun als mit vermeidbaren Schwächen in den Details von Maßnahmen und den allgegenwärtigen drei I: Ideology (zementierte Vorstellungen), Ignorance (Unwissenheit), Inertia (Trägheit). Von den Krankenschwestern wird erwartet, ihren Job in einer Weise zu erfüllen, die kein normaler Mensch lange aushalten würde, und doch fühlt sich niemand dazu berufen, ihre Arbeitsplatzbeschreibung zu ändern. Das jeweils gerade angesagte Thema (seien es Staudämme, Barfußärzte, Mikrokredite oder Ähnliches) wird in Maßnahmen umgesetzt, ohne auch nur einen Gedanken an die Lebenswirklichkeit zu verschwenden, in der sie greifen sollen. Eine hochrangige Vertreterin der indischen Regierung erzählte uns einmal, dass in den Dorfbildungskomitees immer auch ein Elternteil des besten sowie ein Elternteil des schlechtesten Schülers sitzt. Als wir fragten, wie man den besten und den schlechtesten Schüler ermittelt, wo doch bis zur vierten Klasse keine Leistungstests durchgeführt werden, wechselte sie schnell das Thema. Aber selbst solche absurden Regeln halten sich aus reiner Trägheit, sobald sie sich erst einmal etabliert haben.
    Und nun die gute Nachricht (wenn das die richtige Formulierung ist): Die Art der Amtsführung und einzelne Maßnahmen lassen sich verändern, ohne die vorhandenen politischen und sozialen Strukturen über den Haufen zu werfen. Es gibt unglaublich viel Spielraum für Verbesserungen, sogar in einem »guten« institutionellen Umfeld, und ein paar Veränderungsmöglichkeiten im Kleinen selbst in einem schlechten. Es kann schon eine kleine Revolution bedeuten, dafür zu sorgen, dass alle zur Dorfversammlung eingeladen werden, oder Regierungsbediensteten auf die Finger zu schauen und sie für Pflichtverletzungen zur Rechenschaft zu ziehen oder Politiker auf allen Ebenen zu kontrollieren und die Wähler darüber zu informieren oder den Nutzern staatlicher Dienste zu erklären, was sie erwarten dürfen – von wann bis wann das Gesundheitszentrum geöffnet hat, auf wie viel Geld (oder auf wie viele Säcke Reis) sie Anspruch haben.

    Und schließlich sind da noch die Erwartungen, was wer zu leisten vermag und was nicht: Nur allzu oft verwandeln sie
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