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Poor Economics

Poor Economics

Titel: Poor Economics
Autoren: Abhijit Banerjee , Esther Duflo
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ihnen zu sagen, warum sie etwas unternehmen sollten. Deshalb zeigten sie in einer anderen Gruppe von 65 Dörfern interessierten Dorfbewohnern, wie man die Lese- und Mathe-Tests durchführt, die im Mittelpunkt des Bildungsberichts von Pratham stehen, und wie sie einen Berichtsbogen anlegen müssen. Die Auswertung der Berichtsbögen (welche ergaben, dass die Zahl der Kinder, die lesen und schreiben können, in den meisten Dörfern unglaublich niedrig liegt) war der Ausgangspunkt für die Diskussion über die mögliche Rolle der Eltern und der Dorfbildungskomitees.
    Aber keine der beiden Maßnahmen führte binnen eines Jahres zu mehr Beteiligung der Eltern an den Komitees, zu verstärkten Aktivitäten der Komitees oder zu besseren Lernergebnissen bei den Kindern (was ja das eigentliche Ziel ist). Es lag jedoch nicht daran, dass sich die Gemeinschaft nicht hätte mobilisieren lassen wollen. Die Pratham -Teams hatten in den Dörfern auch um Freiwillige geworben, die in den von Pratham entwickelten Methoden zum Lesenlernen geschult wurden und danach Lesenachhilfekurse für die Kinder anboten. Alle Freiwilligen unterrichteten
in mehreren Kursen, und wie wir in Kapitel 4 gesehen haben, machten die Kinder in diesen Dörfern gewaltige Fortschritte.
    Wie lässt sich der Unterschied erklären? Man hatte den Dorfbewohnern eine klare, konkrete Aufgabe gegeben: Stellt Freiwillige und schickt die Kinder, die Unterstützung brauchen, in die Nachhilfekurse. Das war viel besser definiert als das wohl doch zu ehrgeizige Ziel, die Menschen zu überreden, für zusätzliche Lehrer bei den Behörden Anträge einzureichen oder Lehrer zum Erscheinen am Arbeitsplatz zu zwingen, wie es das Sarva-Shiksha-Abhiyan -Programm vorsah. Auch in Kenia gelang es in einer Studie, die Elternkomitees eine eng umschriebene Aufgabe zuwies, diese erfolgreich zum Handeln zu bewegen. Die Elternkomitees erhielten einen Geldbetrag und wurden aufgefordert, damit zusätzliche Lehrer einzustellen; in einigen Schulen übertrug man ihnen noch die Verantwortung, zu kontrollieren, was die zusätzlichen Lehrer taten, und dafür zu sorgen, dass sie an den Schulen nicht zu anderen Zwecken eingesetzt wurden. Das Programm wurde an allen Schulen gut umgesetzt und zeigte sogar noch mehr Wirkung an den Schulen, an denen die Elternkomitees aufgefordert waren zu kontrollieren, ob die Programme auch funktionierten. 36 Das heißt, Elternbeteiligung an der Schule kann funktionieren, aber man muss sich vorher gut überlegen, was man von den Eltern verlangen will.
    Diese beiden Beispiele (die Krankenschwestern und die Elternkomitees) machen deutlich, dass es häufig nicht wegen irgendwelcher tief greifenden strukturellen Probleme zu Geldverschwendung und Politikversagen kommt, sondern wegen allzu großer Bequemlichkeit beim Denken schon auf der Ebene der Planung solcher Maßnahmen. Gute Politik ist für gute politische Maßnahmen notwendig oder auch nicht – sie reicht aber definitiv nicht aus.
     
    Wir haben also keine Veranlassung zu glauben, wie es die Vertreter der politischen Ökonomie gerne hätten, dass die große Politik
immer wichtiger ist als die einzelnen Maßnahmen. Gehen wir nun einen Schritt weiter und kehren die Hierarchie zwischen großer Politik und Einzelmaßnahmen um. Könnten gute Einzelmaßnahmen einen ersten Schritt zu guter Politik darstellen?
    Wähler korrigieren ihre Meinungen, je nachdem was sie in ihrem Umfeld beobachten, selbst wenn sie anfänglich sogar voreingenommen waren. Die Frauen in der indischen Kommunalpolitik sind ein gutes Beispiel. Während die Elite in Delhi nach wie vor überzeugt war, dass man Frauen nicht per Gesetz zu mehr Macht verhelfen könne, erwiesen sich die Bürger in den Kommunen viel offener für die gegenteilige Auffassung. Bevor man ein Drittel der Dorfvorsteherposten für Frauen reserviert hatte, waren nur sehr wenige Frauen in eine Führungsposition gewählt worden. In Dorfräten im indischen Bundesstaat Westbengalen waren 2008 die pradhans überall dort, wo es noch nie eine Frauenquote gegeben hatte, zu 10 Prozent weiblich. Der Anteil stieg auf 100 Prozent – natürlich –, als alle diese Positionen an Frauen vergeben werden mussten. Aber bei der nächsten Wahl, als die Quotierung nicht mehr galt, wurden Frauen mit höherer Wahrscheinlichkeit wiedergewählt. Der Frauenanteil stieg auf 13 Prozent für nicht quotierte Sitze, die in der Vergangenheit einmal für Frauen reserviert worden waren, und auf 17 Prozent, wenn sie in
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