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Poor Economics

Poor Economics

Titel: Poor Economics
Autoren: Abhijit Banerjee , Esther Duflo
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den meisten Fällen zwangen uns unsere Daten und Erkenntnisse, die Theorien, von denen wir ausgegangen waren, zu korrigieren oder ganz aufzugeben. Aber wir taten das erst, nachdem wir genau verstanden hatten, warum sie nicht tragfähig waren und wie wir sie besser an die tatsächlichen Gegebenheiten anpassen konnten. Das Buch ist das Ergebnis dieses Austauschs, der Versuch, eine stimmige Beschreibung des Lebens armer Leute abzugeben.
    Wir haben uns auf die Ärmsten der Armen konzentriert. In den fünfzig Ländern, in denen die meisten Armen leben, liegt die Armutsgrenze im Schnitt bei 16 indischen Rupien pro Person und Tag. Menschen, die von weniger leben müssen, werden auch von den Regierungen ihrer eigenen Länder als arm betrachtet. Nach dem momentanen Wechselkurs entsprechen 16 Rupien etwa 36 US-Cent. Nachdem die Preise in den meisten Entwicklungsländern jedoch niedriger sind als in den USA, müssten die Armen mehr Geld ausgeben, wenn sie zu amerikanischen Preisen einkaufen würden – nämlich 99 US-Cent. 2 Wenn Sie eine Idee davon bekommen wollen, wie Arme leben, dann stellen Sie sich vor, Sie hätten für fast den gesamten täglichen Bedarf (ohne die Miete) nicht mehr als 99 US-Cent am Tag zur Verfügung. Das ist nicht leicht, in Indien bekommen Sie dafür etwa 15 kleine Bananen
oder drei Pfund Reis minderer Qualität. Kann man davon leben? Im Jahr 2005 taten dies weltweit etwa 865 Millionen Menschen, 13 Prozent der Weltbevölkerung.
    Das Verblüffende ist, dass selbst Menschen, die so arm sind, uns in fast allem gleichen. Wir haben dieselben Wünsche und Schwächen; die Armen sind nicht weniger rational als andere, ganz im Gegenteil. Eben weil sie so wenig haben, denken sie oft viel sorgfältiger nach, bevor sie sich für etwas entscheiden: Sie müssen höchst wirtschaftlich denken, um zu überleben. Und doch sind unsere Leben völlig verschieden. Das hat viel mit dem zu tun, was wir in unserem eigenen Leben für selbstverständlich halten, ohne groß darüber nachzudenken.
    Wenn Sie mit 99 US-Cent am Tag auskommen müssen, heißt das, dass Sie nur sehr eingeschränkten Zugang zu Information haben, denn Zeitungen, Fernseher, Bücher kosten Geld. Das heißt, von vielem, was für den Rest der Welt Allgemeinwissen ist, haben Sie noch nie gehört, etwa dass eine Impfung Ihr Kind vor Masern schützen kann. Es heißt auch, in einer Welt zu leben, deren Institutionen nicht für jemanden wie Sie gemacht sind. Die meisten armen Menschen beziehen keinen Lohn, geschweige denn, dass sie eine Rentenversicherung hätten, in die automatisch ein Teil davon fließt. Es bedeutet, Entscheidungen über Dinge zu treffen, die mit einer Menge Kleingedrucktem einhergehen, obwohl Sie noch nicht einmal das Großgedruckte richtig lesen können. Was macht jemand, der die Produktinformation einer Krankenversicherung nicht lesen kann, die eine ganze Reihe von Krankheiten mit unaussprechlichen Namen ausschließt? Es bedeutet, wählen zu gehen, obwohl Sie von Ihrem politischen System nicht mehr mitbekommen als nicht eingelöste Wahlversprechen, und es bedeutet, kein Geld zurücklegen zu können, weil die Bank aus Ihren Ersparnissen nicht einmal genug erwirtschaftet, um die entstehenden Verwaltungskosten zu decken. Und so weiter.
    Das Beste aus sich zu machen und für die Familie Vorsorge zu treffen, verlangt armen Menschen also viel, viel mehr Erfindungsgeist, Willenskraft und Einsatz ab. Umgekehrt sind es die kleinen
Geldbeträge, die kleinen Hindernisse, die kleinen Fehler, über die die meisten von uns locker hinweggehen, die den Armen das Leben schwer machen.
    Es ist nicht leicht, der Armut zu entrinnen, aber das Gefühl, es schaffen zu können, und gezielte kleine Hilfen (etwas Information, ein leichter Anstoß) sind manchmal überraschend wirkungsvoll. Andererseits bringen zu hoch gesteckte Erwartungen, fehlende Zuversicht und kleinere Hürden manchmal alles zum Scheitern. Ein Druck auf den richtigen Knopf kann unglaublich viel bewirken – das Problem ist, den richtigen Knopf zu finden. Und natürlich gibt es nicht den einen Knopf, der alle Probleme löst.
    Poor Economics ist ein Buch über die ausgesprochen ergiebige Ökonomie, die zutage tritt, wenn man ein Verständnis für das ökonomische Leben der Armen entwickelt. Es ist ein Buch über die Theorien, die uns helfen nachzuvollziehen, was die Armen selbst erreichen können und wofür sie einen Anschub brauchen. Jedes Kapitel dieses Buches beschreibt eine andere Suche nach den
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