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Poor Economics

Poor Economics

Titel: Poor Economics
Autoren: Abhijit Banerjee , Esther Duflo
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eine Fernwirkung der Moskitonetze: Wenn etwa die Hälfte der Dorfbewohner unter einem Moskitonetz schläft, sinkt das Infektionsrisiko auch für diejenigen deutlich, die selbst kein Netz besitzen. 15 Das Problem ist nur, dass weniger als ein Viertel der gefährdeten Kinder unter einem Moskitonetz schlafen: 16 Offenbar sind die Kosten von 10 US-Dollar für viele
Familien in Mali oder Kenia zu hoch. In Anbetracht des Nutzens für die Familie und ihre unmittelbaren Nachbarn scheint es sinnvoll, die Netze billig oder kostenlos abzugeben. Die Verteilung kostenloser Moskitonetze wird denn auch von Jeffrey Sachs propagiert. Easterly und Moyo halten dagegen, dass die Leute die Netze nicht wertschätzen (und damit auch nicht nutzen werden), wenn sie sie umsonst bekommen. Und wenn sie sie nutzen, gewöhnen sie sich daran, sie geschenkt zu bekommen, und kaufen später keine neuen Netze mehr, wenn diese etwas kosten sollen; oder sie weigern sich, bei anderer Gelegenheit etwas zu kaufen, das sie brauchen, und wollen es ebenfalls umsonst haben. Das kann gut funktionierende Märkte kaputt machen. Dambisa Moyo erzählt die Geschichte eines Moskitonetz-Verkäufers, der ruiniert war, als ein Programm für die kostenlose Verteilung von Moskitonetzen anlief. Und als das Programm beendet war, gab es niemanden mehr, der Moskitonetze verkaufte – zu welchem Preis auch immer.
    Wenn wir die Diskussion voranbringen wollen, müssen wir drei Fragen beantworten: Erstens, wenn die Leute den vollen Preis für ein Moskitonetz bezahlen müssen (oder einen großen Teil davon), werden sie dann lieber ohne Netz schlafen? Zweitens, wenn sie die Moskitonetze umsonst oder stark verbilligt erhalten, werden sie sie benutzen oder wegwerfen? Drittens, wenn sie das Moskitonetz einmal verbilligt erhalten haben, werden sie sich das nächste zum regulären oder weniger stark ermäßigten Preis kaufen oder nicht?
    Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir vergleichbare Gruppen von Menschen haben und deren Verhalten angesichts unterschiedlich stark subventionierter Preise von Moskitonetzen vergleichen. Das Schlüsselwort ist »vergleichbar«. Leute, die für Moskitonetze bezahlen, und Leute, die die Netze umsonst bekommen, unterscheiden sich meist auch in anderen Aspekten: Möglicherweise sind die, die für die Netze bezahlen, wohlhabender, besser gebildet und verstehen, warum ein Moskitonetz so wichtig ist, und diejenigen, die sie geschenkt bekamen, wurden
vielleicht von einer NGO genau deshalb ausgewählt, weil sie arm sind. Es könnte aber auch umgekehrt sein: Diejenigen, die die Netze umsonst bekamen, hatten gute Beziehungen, und die uninformierten Armen mussten den vollen Preis bezahlen. Egal wie es tatsächlich war, in beiden Fällen ist es nicht möglich, Schlüsse zu ziehen, wie die Menschen ihre Moskitonetze benutzen.
    Die zuverlässigste Methode, das herauszufinden, ist daher die Orientierung an den randomisierten Studien, die in der Medizin gemacht werden, um die Wirksamkeit neuer Medikamente zu testen. Eine solche Studie führte Pascaline Dupas, eine Wissenschaftlerin der University of California, in Kenia durch, andere folgten mit ähnlichen Experimenten in Uganda und Madagaskar. 17 In Dupas’ Studie wurden die Teilnehmer nach dem Zufallsprinzip auf Gruppen verteilt, die unterschiedlich hohe finanzielle Unterstützung für den Kauf von Moskitonetzen erhielten; die Lebensumstände der Teilnehmer waren ansonsten vergleichbar. Auf diese Weise konnte Dupas unsere drei Fragen – zumindest im Rahmen dieses Experiments – beantworten.
    In Kapitel 3 werden wir uns ausführlich mit ihren Ergebnissen beschäftigen. Obwohl immer noch Fragen offen bleiben (zum Beispiel verraten die Experimente nicht, ob das Verteilen importierter und subventionierter Moskitonetze ortsansässigen Herstellern schadet), haben die Ergebnisse Bewegung in die Diskussion und die politischen Positionen gebracht.
    Die Verlagerung von den großen allgemeinen Fragen auf die viel enger gefassten hat einen weiteren Vorteil. Wenn wir herausfinden, ob arme Leute bereit sind, Geld für Moskitonetze auszugeben, und ob sie sie benutzen, wenn sie sie kostenlos bekommen, dann lernen wir auch eine ganze Menge darüber, wie man Moskitonetze am besten unters Volk bringt: Wir beginnen zu verstehen, wie arme Menschen Entscheidungen treffen. Was steht etwa einer stärkeren Nutzung von Moskitonetzen im Weg? Fehlt es vielleicht an Informationen über ihren Nutzen, oder können die Menschen sie sich
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