Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Poor Economics

Poor Economics

Titel: Poor Economics
Autoren: Abhijit Banerjee , Esther Duflo
Vom Netzwerk:
entscheidend ist, dass wir kaum etwas zu tun brauchen bzw. tun können, um den Armen zu helfen. Einmalige Geldgeschenke – sagen wir in einer Höhe, dass die Betreffenden an Punkt A2 statt an A1 beginnen können – werden ihr zukünftiges Einkommen in dieser Welt nicht dauerhaft erhöhen. Im besten Fall führen sie dazu, es etwas schneller ansteigen zu lassen, doch das ändert nichts am späteren Endpunkt.

    Abbildung 2: Die L-Kurve: Keine Armutsfalle
    Welches dieser Diagramme spiegelt nun die Lebenswelt des jungen kenianischen Bauern Kennedy am besten wider? Um diese Frage zu beantworten, brauchen wir ein paar einfache Informationen, zum Beispiel: Ist es möglich, kleine Düngermengen zu kaufen? Gibt es Umstände, die das Sparen zwischen den Aussaatzeiten erschweren, so dass Kennedy, selbst wenn er nach der Ernte Geld übrig hat, dieses nicht investieren kann? Die wichtigste Botschaft dieser in einfache Diagramme gefassten Theorien ist: Theorie allein genügt nicht. Wenn wir wirklich wissen wollen, ob es eine Armutsfalle gibt, müssen wir herausfinden, welche der beiden Kurven die Realität besser abbildet. Und wir müssen das anhand des jeweiligen Einzelfalls tun. Wenn es in unserer Geschichte um Dünger geht, müssen wir uns Informationen über den Düngemittelmarkt beschaffen. Wenn sie sich um Ersparnisse dreht, müssen wir in Erfahrung bringen, wie Arme sparen.
Wenn Ernährung und Gesundheit im Mittelpunkt stehen, müssen wir diese Faktoren untersuchen. Die eine große, allgemeingültige Antwort gibt es nicht! Das klingt vielleicht ein bisschen enttäuschend, aber eigentlich sollten die politisch Verantwortlichen genau das wissen wollen – nicht dass es für Arme Millionen Wege gibt, in die Armutsfalle zu geraten, sondern dass es nur einige wenige Schlüsselfaktoren sind, die die Armutsfalle entstehen lassen, und dass die Beseitigung dieser speziellen Probleme die Armen aus der Falle befreien und ihnen den Weg in einen Circulus virtuosus von wachsendem Wohlstand weisen könnte.
    Diese radikale Veränderung der Perspektive, weg von den allgemeingültigen Antworten, zwang uns, unsere Schreibtische zu verlassen und einen genaueren Blick auf die Welt zu werfen. Dabei traten wir in die Fußstapfen von Entwicklungsökonomen, die immer betont haben, wie wichtig es ist, die richtigen Daten zu sammeln, wenn man vernünftige Aussagen über die Welt treffen will. Doch wir hatten gegenüber unseren Vorgängern zwei Vorteile: Erstens liegen heute für eine Reihe armer Länder erstklassige Daten vor, die früher nicht verfügbar waren. Zweitens können wir eine neue, aussagekräftige Methode anwenden, die randomisierte kontrollierte Studie ( randomized controlled trial, RCT). Solche Studien ermöglichen es Forschern, zusammen mit Partnern vor Ort groß angelegte Experimente durchzuführen, mit denen sie ihre Theorien testen. In randomisierten kontrollierten Studien – wie der mit den Moskitonetzen – werden Einzelpersonen oder Dörfer nach dem Zufallsprinzip in Gruppen eingeteilt, die eine unterschiedliche »Behandlung« erfahren; dabei kann es sich um verschiedene Maßnahmen oder unterschiedliche Varianten derselben Maßnahme handeln. Da die Versuchspersonen oder Versuchsdörfer aller Behandlungsgruppen ansonsten in jeder Hinsicht vergleichbar sind (darauf wird bei der Vorauswahl geachtet), können beobachtete Unterschiede nur auf die unterschiedliche Behandlung zurückgehen.
    Ein einzelnes Experiment erbringt noch nicht den endgültigen Beweis, ob ein bestimmtes Programm immer und überall funktioniert.
Aber wir können das Experiment mehrfach durchführen, entweder an verschiedenen Orten oder mit leicht abgewandelten Maßnahmen – oder beides. (Klappt in Madagaskar, was in Kenia geklappt hat? Was nützt Kennedy mehr, den Dünger zu subventionieren oder ihn beim Sparen zu unterstützen?) Alles zusammen erlaubt uns, unsere Schlussfolgerungen auf ihre Tragfähigkeit zu untersuchen und den Kreis der Theorien zu verkleinern, die die Daten erklären können. Die auf diesen Ergebnissen aufbauende neue Theorie führt zu neuen Studienentwürfen und Experimenten und hilft uns, frühere, unter Umständen rätselhafte Resultate neu zu interpretieren. So erhalten wir nach und nach ein immer klareres Bild vom Leben der Armen, wo sie Hilfe brauchen und wo nicht.
    2003 haben wir das Poverty Action Lab gegründet – es wurde später in Abdul Latif Jameel Poverty Action Lab oder kurz J-PAL umbenannt –, um andere Forscher,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher