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Poor Economics

Poor Economics

Titel: Poor Economics
Autoren: Abhijit Banerjee , Esther Duflo
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ihn, und das war der einzige Weg, dieser Falle zu entkommen.
    Die möglichen Einwände der Skeptiker: Wenn Dünger wirklich so viel Profit abwirft, warum hat Kennedy dann nicht einfach eine kleine Menge gekauft und auf seinem besten Feld ausgebracht? Die Ernte wäre besser ausgefallen, und mit dem Mehrerlös hätte er für das nächste Jahr eine größere Düngermenge kaufen können, und so weiter. Nach und nach wäre er wohlhabend genug geworden, um alle seine Felder mit Dünger zu versorgen.
    Sitzt Kennedy nun in der Armutsfalle oder nicht?
    Die Antwort hängt davon ab, ob die beschriebene Taktik umsetzbar ist: Zunächst eine kleine Düngermenge kaufen, einen kleinen Überschuss erzielen, diesen reinvestieren, um mehr zu erwirtschaften, und wieder von vorn. Aber es könnte schwierig sein, Dünger in kleinen Mengen zu kaufen. Oder es braucht ein paar Anläufe, bis sich der gewünschte Erfolg auf dem Feld einstellt. Oder es gibt Probleme, das überschüssige Geld anzulegen. Für einen Bauern könnte es aus den verschiedensten Gründen schwierig sein, aus eigener Kraft durchzustarten.
    In Kapitel 8 werden wir versuchen, zum Kern von Kennedys Geschichte vorzudringen. Fürs Erste hilft uns diese Diskussion, ein allgemeines Prinzip zu erkennen. Eine Armutsfalle liegt dann vor, wenn der Spielraum zur schnellen Vermehrung von Einkommen oder Wohlstand für diejenigen, die zu wenig zum Investieren haben, gering ist, sich aber dramatisch vergrößert, sobald jemand etwas mehr investieren kann. Wenn das Potenzial für schnelles Wachstum unter den Armen jedoch hoch ist, aber rasch abnimmt, sobald jemand reicher wird, dann gibt es keine Armutsfalle.

     
    Wirtschaftswissenschaftler lieben einfache (manche würden sagen »stark vereinfachende«) Theorien, die sie gerne in Form von Diagrammen präsentieren. Wir machen da keine Ausnahme. Wir glauben, dass die Debatte über die Natur der Armut anhand der beiden auf den nächsten Seiten gezeigten Diagramme besser zu verstehen ist. Das Wichtigste an den Diagrammen ist die Form der Kurven; wir werden noch mehrfach darauf zurückkommen.
    Für diejenigen, die an die Armutsfalle glauben, funktioniert die Welt wie in Abbildung 1 dargestellt. Das derzeitige Einkommen eines Menschen beeinflusst sein zukünftiges Einkommen (wobei mit »zukünftig« morgen, nächsten Monat oder die nächste Generation gemeint sein kann): Davon, was jemand heute besitzt, hängt ab, wie viel er isst, wie viel er für Gesundheit ausgeben muss oder für die Schulbildung seiner Kinder, ob er sich Dünger für seine Felder kaufen kann oder besseres Saatgut – und all das bestimmt, wie viel dieser Mensch morgen besitzen wird.
    Die Kurve hat eine ganz charakteristische Form: Sie ist zunächst relativ flach und steigt dann steil an, ehe sie wieder flach ausläuft. Wir werden sie – Freunde der Schönschrift mögen es uns verzeihen – als S-Kurve bezeichnen.
    Die S-Form der Kurve ist der Grund für die Armutsfalle: Entlang der diagonalen Linie ist das Einkommen von morgen genau so hoch wie das von heute. Die Ärmsten der Armen, deren momentanes Einkommen im Bereich der Armutsfalle liegt, werden in Zukunft weniger haben als heute, denn die Kurve verläuft hier unterhalb der Diagonalen. Das heißt, die Menschen in diesem Bereich werden im Lauf der Zeit immer ärmer werden und landen am Ende ganz tief in der Armutsfalle an Punkt N. Die Pfeile, die an Punkt A1 beginnen, stellen einen möglichen Weg dar: von A1 nach A2, nach A3 und so weiter. Diejenigen, die mit einem Einkommen außerhalb des Bereichs der Armutsfalle starten, werden in Zukunft über mehr Geld verfügen als heute: Sie werden allmählich reicher – zumindest bis zu einem gewissen Punkt. Diese erfreulicheren Zukunftsaussichten sind in dem bei B1 beginnenden Pfeil dargestellt, der sich nach B2, B3 und so weiter bewegt.

    Abbildung 1: Die S-Kurve und die Armutsfalle
    Viele Wirtschaftswissenschaftler (vielleicht die Mehrheit) glauben jedoch, dass die Welt meistens eher Abbildung 2 ähnelt.
    Abbildung 2 sieht aus wie der rechte Teil von Abbildung 1, also ohne die abfallende linke Seite. Die Kurve ist am Anfang am steilsten und wird dann allmählich flacher. In dieser Welt gibt es keine Armutsfalle: Weil die Armen mehr verdienen als am Ausgangspunkt, werden sie nach und nach reicher, bis ihr Einkommen irgendwann nicht weiter ansteigt (die Pfeile von A1 nach A2 und A3 zeigen einen möglichen Weg). Unter Umständen ist dieses Einkommen nicht besonders hoch,
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