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Poor Economics

Poor Economics

Titel: Poor Economics
Autoren: Abhijit Banerjee , Esther Duflo
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irgendwann in absehbarer Zukunft, doch dafür müssen wir unseren Grips anstrengen. Wir möchten Sie gerne davon überzeugen, dass unser geduldiger Schritt-für-Schritt-Ansatz Armut nicht nur wirksamer bekämpft, sondern die Welt auch interessanter macht.

TEIL 1
Das private Leben

3 Gute Chancen auf mehr Gesundheit?
    Im Gesundheitsbereich begegnet uns Vielversprechendes, aber auch tiefe Frustration. Man hat den Eindruck, dass die Chancen vielerorts nicht schlecht stehen: Von Impfstoffen bis hin zu Malarianetzen reichen die Vorbeugemaßnahmen, die für wenig Geld viele Leben retten könnten – aber kaum jemand nutzt sie. Staatliche Gesundheitshelfer, die in den meisten Ländern für die Basisgesundheitsversorgung sorgen sollen, werden oft für dieses Versagen verantwortlich gemacht. Nicht ganz zu Unrecht, wie wir noch sehen werden. Sie wiederum betonen immer wieder, dass es viel schwieriger ist, diese Chancen wahrzunehmen, als man glauben möchte.
    Im Winter 2005 nahmen wir in Udaipur, einer wunderschönen Stadt im Westen Indiens, an einer lebhaften Diskussion mit staatlichen Krankenschwestern teil. Sie waren ziemlich aufgebracht, weil wir an einem Projekt mitwirkten, das sie dazu bewegen sollte, öfter zur Arbeit zu kommen. Irgendwann im Lauf der Diskussion geriet eine von ihnen so außer sich, dass sie mit der Wahrheit herausrückte: Die Arbeit sei so und so völlig sinnlos, verkündete sie. Wenn ein Kind mit Durchfall zu ihnen käme, hätten sie der Mutter nichts weiter zu bieten als ein Päckchen WHO-Trinklösung ( oral rehydration solution, ORS), eine Mischung aus Kochsalz, Zucker, Kaliumchlorid und einem Antazidum, die in Wasser aufgelöst und dem Kind verabreicht werden muss. Die meisten Mütter glaubten jedoch nicht, dass die Trinklösung hilft. Sie wollten eine »richtige Behandlung«, und das ist für sie ein Antibiotikum oder eine Infusion. Eine Mutter, die sie nur mit einem Päckchen Trinklösung aus dem Gesundheitszentrum wegschickten,
käme garantiert nie wieder. Jedes Jahr sähen sie unzählige Kinder, die an Durchfallerkrankungen stürben, aber sie fühlten sich unsagbar hilflos.
     
    Von den neun Millionen Kindern, die jedes Jahr vor ihrem fünften Geburtstag sterben, sind die allermeisten arme Kinder aus Südasien und dem Afrika südlich der Sahara. Etwa eines von fünf stirbt an einer Durchfallerkrankung. Die Bemühungen, einen Impfstoff gegen das Rotavirus zu entwickeln und zu verteilen, laufen auf Hochtouren; das Rotavirus ist die Ursache vieler (aber nicht aller) dieser Erkrankungen. Drei »Wunderstoffe« könnten das Leben der meisten dieser Kinder retten: Chlor für die Wasserdesinfektion sowie Salz und Zucker, die Hauptbestandteile der Rehydratisierungslösung. Gerade einmal 100 Dollar kostet eine Haushaltspackung Chlor, mit der sich durchschnittlich 32 Fälle von Durchfall vermeiden ließen. 1 Der Flüssigkeitsverlust ist die wichtigste Todesursache bei Durchfallerkrankungen, und die Trinklösung, die so gut wie nichts kostet, verhindert ihn höchst effektiv.
    Trotzdem kommen weder Chlor noch die Rehydratisierungslösung im großen Stil zum Einsatz. Dank des Engagements von Population Services International (PSI), einer Organisation, die weltweit Produkte zu subventionierten Preisen vertreibt, ist Chlor in Sambia billig und fast überall erhältlich. Für 800 Kwacha (0,18 PPP-USD) kann eine sechsköpfige Familie genug Chlor kaufen, um ihr Wasser zu desinfizieren und so Durchfall zu vermeiden. Aber nur 10 Prozent der Familien tun es. 2 Nach Angaben des Kinderhilfswerks UNICEF erhält in Indien nur ein Drittel aller Kinder unter fünf Jahren die Rehydratisierungslösung, wenn sie an Durchfall erkranken. 3 Warum sterben alljährlich 1,5 Millionen Kinder an Durchfall, einer Erkrankung, die erstens in den meisten Fällen leicht zu vermeiden wäre und die zweitens oft allein mit abgekochtem Wasser, Zucker und Salz behandelt werden könnte?
    Chlor und Rehydratisierungslösung sind keine Ausnahmen. Es
gibt noch mehr gute Möglichkeiten, die gesundheitliche Situation zu verbessern und viele Leben zu retten. Einfache und billige Ansätze, die – richtig angewendet – den Ressourcen guttun würden (etwa in Form von mehr Arbeitstagen, geringerem Antibiotikaverbrauch, mehr Körperkraft und so weiter). Sie können an sich schon lohnend sein und darüber hinaus noch Leben retten. Aber zu viele dieser Chancen werden nicht genutzt. Dabei könnte man nicht sagen, dass den Leuten ihre Gesundheit egal
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