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Pompeji

Pompeji

Titel: Pompeji
Autoren: Robert Harris
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Es war die Erwartung, dass über ihnen, auf dem Gipfel des Berges, eine weitere Glutwolke erscheinen würde, die ihn mit Angst und Schrecken erfüllte und ihn dazu trieb, immer weiter durch die zerstörte Stadt zu stapfen, auf schmerzenden Beinen, weit über den Punkt der Erschöpfung hinaus.
    Am Ende des vierten Häuserblocks fand er die Reihe von Läden, zu drei Vierteln verschüttet, und kletterte den Bimssteinabhang hinauf auf das niedrige Dach. Er duckte sich hinter dem First. Sein Umriss war scharf. Dahinter musste ein Feuer brennen. Langsam hob er den Kopf. Jenseits der flachen Oberfläche des Bauplatzes sah er die neun hohen Fenster von Ampliatus' Bädern, alle hell erleuchtet von Fackeln und Dutzenden von Öllampen. Er konnte einige der gemalten Götter an den Wänden sehen und die Gestalten von Männern, die sich vor ihnen bewegten. Alles, was fehlte, war Musik – dann hätte es so ausgesehen, als würde hier ein Fest gefeiert.
    Attilius rutschte in den Hof hinunter und begann ihn zu überqueren. Die Beleuchtung war dermaßen hell, dass er einen Schatten warf. Als er näher kam, sah er, dass die Gestalten Sklaven waren und dass sie den Bimsstein entfernten, der in die drei hohen Räume hineingeprasselt war – den Umkleideraum, das Tepidarium und das Caldarium; dort, wo er am höchsten war, beförderten sie ihn wie Schnee mit Holzschaufeln hinaus, an anderen Stellen konnte man ihn mit Besen wegfegen. Hinter ihnen marschierte Ampliatus herum, schrie, dass sie härter arbeiten sollten. Gelegentlich ergriff er selbst eine Schaufel oder einen Besen und zeigte ihnen, wie es getan werden sollte, dann kehrte er zu seinem zwanghaften Umherwandern zurück. Ein paar Augenblicke beobachtete ihn Attilius im Schutz der Dunkelheit, dann begann er vorsichtig zum mittleren Raum – dem Tepidarium – hinaufzusteigen, an dessen Rückseite er den Eingang zum Kuppelbau des Schwitzbades sehen konnte.
    Er hatte keine Chance, ungesehen in das Gebäude zu gelangen, also ging er schließlich einfach hinein – watete durch den Bimsstein und durch eines der offenen Fenster, wo seine Füße auf dem Fliesenboden knirschten und die Sklaven ihn verblüfft anstarrten. Er hatte bereits die Hälfte des Weges zum Schwitzbad zurückgelegt, als Ampliatus ihn entdeckte – »Aquarius!« – und ihm entgegeneilte. Er lächelte mit weit ausgestreckten Händen. »Aquarius! Ich habe dich erwartet!«
    Ampliatus hatte eine Schnittwunde an der Schläfe, und die Haare an seiner linken Kopfseite waren steif vor Blut. Sein Gesicht war zerkratzt, Blut war durch die Staubschicht gesickert und hatte rote Furchen in das Weiß gegraben. Der Mund war an den Winkeln hochgezogen: eine Maske der Komödie. Das helle Licht spiegelte sich in seinen weit aufgerissenen Augen. Bevor Attilius etwas sagen konnte, redete er weiter: »Wir müssen den Aquädukt sofort wieder zum Laufen bringen. Wie du siehst, ist alles bereit. Nichts ist beschädigt. Wir könnten morgen eröffnen, sofern wir nur das Wasser anschließen können.« Ampliatus redete sehr schnell, seine Worte überstürzten sich, und er beendete kaum einen Satz, bevor er zum nächsten überging. Er hatte so viel im Kopf, dem er Ausdruck verleihen musste! Er sah alles vor sich! »Die Leute brauchen einen Ort in der Stadt, der funktioniert. Sie müssen baden – es wird schmutzige Arbeit sein, alles wieder in Ordnung zu bringen. Aber es ist nicht nur das. Es wird ein Symbol sein, um das sie sich scharen können. Wenn sie sehen, dass die Bäder funktionieren, dann verleiht ihnen das Zuversicht. Zuversicht ist der Schlüssel zu allem. Der Schlüssel zur Zuversicht ist Wasser. Wasser ist alles, verstehst du? Ich brauche dich, Aquarius. Halbehalbe? Was hältst du davon?«
    »Wo ist Corelia?«
    »Corelia?« Ampliatus' Augen funkelten – er witterte einen Handel. »Du willst Corelia? Im Austausch für das Wasser?«
    »Vielleicht.«
    »Eine Heirat? Ich bin bereit, das in Erwägung zu ziehen.« Er streckte den Daumen aus. »Sie ist da drin. Aber ich verlange, dass mein Anwalt den Vertrag aufsetzt.«
    Attilius drehte sich um und ging durch den schmalen Eingang ins Laconium. Auf Bänken unter der Kuppel des kleinen Schwitzbades, erhellt von Fackeln, die in Wandhalterungen steckten, saßen Corelia, ihre Mutter und ihr Bruder, ihnen gegenüber der Hausverwalter Scutarius und der riesige Pförtner Massavo. Ein zweiter Ausgang führte ins Caldarium. Als Attilius hereinkam, schaute Corelia auf.
    »Wir müssen fort«, sagte
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