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Polterabend

Polterabend

Titel: Polterabend
Autoren: Alfred Komarek
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nicht umgewöhnen muß, beim Schimpfen. Nicht daß es mir fehlen tät, das Mistvieh, aber man gewöhnt sich irgendwie dran. Und so.«
    »Versteh schon. Wie schaut er denn aus, der Alois?«
    »Schrecklich. Große Ohren, große Pfoten. Der Rest ist klein geblieben. Ja, und dann noch: Wenn du ihn mit seinem Namen rufst, rennt er weg.«
    »Nicht zu verkennen also, der Gute. Wir setzen ihn auf die Fahndungsliste.«
    »Ganz schön frech, der junge Polt.«
    »War nicht so gemeint. Ich werd mich schon umschauen, nach dem Alois!«
    Polt verabschiedete sich artig von Frau Stirbl und machte sich auf den Weg zu Aloisia Habesams Kaufhaus. Natürlich war es am Sonntag geschlossen. Doch es gab auch eine Hintertür, und die war fast immer offen. Polt wurde nicht enttäuscht und trat ein. Auf seinen lauten Gruß hin tauchte die Kauffrau aus den Tiefen ihrer Lagerräume auf. Polt erschrak, als er bemerkte, daß sie geweint hatte. Frau Habesam war tüchtig in ihrem Beruf, überaus begabt in der Verbreitung halber und ganzer Wahrheiten und geradezu genial, was die Beschaffung der notwendigen Informationen betraf. Polt hätte ihr alles zugetraut, nur keine nassen Augen. »Um Himmels willen, was haben Sie denn?«
    »Ich? Haben?« Hastig wischte sie sich übers Gesicht. »Nachgedacht hab ich halt darüber, wie alles weitergehen soll.«
    »Was denn alles?«
    »Na, das Geschäft, sonst hab ich ja nichts. Überall sperren diese neuen Selbstbedienungsmärkte auf. Dort kaufen s’ ein, wie die Wilden, meine Wiesbachtaler. Und zu mir kommen s’ dann um ein Packl Milch. Vor ein paar Minuten wollt ich’s noch hinschmeißen, die ganze Kram.« Energisch zog sie durch die Nase auf. »Aber dann hab ich gesagt: Mit mir nicht! Nicht mit mir! Mein Kaufhaus wird eben jetzt auch noch ein Postamt! Wüßte nicht, wo ein Postgeheimnis besser aufgehoben war als hier.«
    »Allerdings, Frau Habesam, allerdings.«
    »Den Unterton können Sie sich sparen. Was wollen Sie denn einkaufen?«
    »Allerhand. Hab ganz darauf vergessen, gestern.«
    »Kein Wunder, bei dem, was passiert ist. Jetzt hat die schöne Fassade vom Fürnkranz halt auch einen Sprung. Der eine hat seine Leiche im Keller, der andere im Preßkorb.«
    »Nicht sehr mitfühlsam.«
    »Wozu denn? Hat der doch nie gebraucht. Hat sich einen Panzer zugelegt, schön und kalt.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Möchte zum Beispiel wissen, warum ihm die Tochter davon ist, von einem Tag auf den anderen.«
    »Ist geredet worden, damals?«
    »Genug. Aber nichts Gescheites. Er hat ja nie jemand hineinschauen lassen in seine Familie. Und was ist ihm geblieben? Eine Rotzpippen von Sohn.«
    »Wissen Sie eigentlich schon, Frau Habesam, daß es sich bei dem Toten um den Lutzer Ferdl handelt?«
    »Nein, das ist mir neu. Kommt selten vor. Hab ich also keinen Untermieter mehr. Vielleicht besser so. Erst war er mir das Geld immer ein paar Monate lang schuldig. Letzte Woche aber hat er im voraus bezahlt. Gleich für ein halbes Jahr. Aloisia, hab ich mir gedacht. Sei auf der Hut: Wenn so ein Mensch auf einmal Geld hat, stimmt was nicht. Na? Recht hab ich gehabt.«
    »Und wie war er sonst so?«
    »Unverläßlich, falsch und raffiniert. Aber auch ein lustiger Kampl. Weibergschichten, jede Menge. Wollen Sie endlich was kaufen?«
    »Also gut. Topfen, mager, Schinken, mager, und Katzenfutter, fettreduziert.«
    »Ich hab geglaubt, Sie kaufen für sich ein?«
    »Tu ich ja. Wir nehmen ab, der Czernohorsky und ich. Sieht man das nicht?«
    »Nein.«
    »Sie müssen halt genauer hinschauen, Frau Habesam.«
    »Sagen Sie mir rechtzeitig, wenn sich’s auszahlt, Herr Polt.« Kopfschüttelnd packte sie das Gewünschte ein. »Kaltes Bauchfleisch hätt ich da, mit Kümmelkruste.«
    »Gehen S’ zum Teufel damit!«
    »Keine schlechte Idee. Ich glaub, der weiß, was gut ist. Habe die Ehre, Herr Hungerkünstler!«
    »Moment noch! Ich brauch was für einen Krankenbesuch!«
    »Eierlikör?«
    »Nichts Süßes.«
    »Aha. Die Karin Walter. Hat Grippe, wie man so hört? Wie wär’s mit Inländerrum, 80 Prozent, für den Tee...«
    »Geben Sie schon her.«
    Als Polt vor Karin Walters Haus in der Hintausgasse von Brunndorf stand, probierte er vorsichtig an der Tür. Wie erwartet, war sie unverschlossen.
    Die Lehrerin lag nicht im Bett, sondern stand, mit einem hellblauen Schlafrock bekleidet, am Küchenherd. Sie drehte sich um, als sie Geräusche hörte. »Hallo, Simon, das ist wirklich lieb von dir! Aber bleib schön, wo du bist, sonst erwischt es dich auch
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