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Polterabend

Polterabend

Titel: Polterabend
Autoren: Alfred Komarek
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den Preßkorb schon hergerichtet.« Fürnkranz machte ein paar vorsichtige Schritte auf dem hartgefrorenen Boden. »Fangt ihr schon einmal mit dem Schaufeln an, ich geh voran ins Preßhaus.«
    Die ersten Trauben polterten als Eisbrocken in die Tiefe.
    Nach einer Weile war die Stimme des Weinbauern von unten zu hören. »Bin schon da, nur weiter, weiter, Leute, es muß rasch gehen!«
    Und dann, vielleicht zehn Minuten später: »So, aufhören. Und hereinkommen!«
    Als Polt und die anderen eintraten, stand Fürnkranz oben neben dem Preßkorb und drückte mit einem großen hölzernen Stempel, dem Mostler, die Trauben zurecht. Vor der Presse stand ein großgewachsener Mann, der eine dicke Daunenjacke trug. Er schaute den Männern entgegen. »Guten Morgen, die Herrschaften, Max Wehdorn mein Name, Kellerei-Inspektor.«
    Das Preßhaus war von einer elektrischen Arbeitsleuchte erhellt. Tageslicht fiel nur durch die offene Tür herein. Die kleinen Fensteröffnungen waren mit Brettern verschlossen. Eine große Baumpresse füllte gut die Hälfte des Raumes der Länge nach aus, rechts davor standen ineinandergeschobene Bottiche und Arbeitsgerät, auf der anderen Seite ein Tisch mit einfachen Bänken und Sesseln. Unter dem Preßbalken führten wenige Stufen zur Kellertür hin.
    Fürnkranz machte einen schwerfälligen Sprung auf den Ziegelboden. »So. Jetzt wird’s spannend.« Er hob ein kleines Gerät hoch. »Kennen Sie das, Herr Gendarm?«
    »Wo ist ein Gendarm?« Polt rieb sich die kalten Hände. »Aber auch so habe ich keine Ahnung.«
    »Ein Refraktometer. Dient zur Bestimmung der Zuckergrade. Wenn der Riesling jetzt nicht dreißig, wenigstens achtundzwanzig Klosterneuburger Mostgrade hat, brauchen wir gar nicht anzufangen mit dem Pressen. Insgesamt müssen wir auf 25 Grad kommen, alles andere ist kein Eiswein.«
    Polt war interessiert nähergetreten. »Ah ja. Und darum ist der Kellerei-Inspektor da.«
    »Hat wie immer den Durchblick, unser Herr Gendarm. Muß angemeldet werden, so eine Pressung. Davon einmal abgesehen, bin ich wahrscheinlich der letzte, der es sich antut, dafür eine Baumpresse zu nehmen. Mit den modernen hydraulischen Maschinen geht alles viel einfacher. Aber für mich alten Sonderling ist das alles eben auch eine Zeremonie, wie vor dem Altar, nur heidnisch halt.« Fürnkranz hatte sein Meßgerät weggelegt und griff nach einer kreisrunden Holzplatte. »Das ist die Dotschen, auch Gans sagen wir dazu. Kommt auf das Preßgut. Und diese Hölzer da kommen oben drauf, bis der Preßbalken aufliegt.«
    »Mein Lieber!« Polt betrachtete respektvoll den schweren Balken. »Wissen Sie, wie lang der Preßbalken ist, Herr Fürnkranz?«
    »Ich hab einmal nachgemessen: gute 14 Meter. Und wissen Sie, Herr Polt, wie man so ein Ungetüm auch noch nennt? Hengst! Unsere Altvorderen waren keine Unschuldslämmer und näher am Leben und am Tod als wir. Der Balken da war für sie nicht mehr und nicht weniger als ein unverschämtes Sinnbild für Manneskraft. Und was ist dann beim Pressen los? Den unschuldigen Trauben wird Gewalt angetan, bis der Saft rinnt. Und wer ist mittendrin? Die Bauern! So nennt man nämlich die Hölzer zwischen dem Preßbalken und dem Deckel auf den Trauben.«
    Polt hörte fasziniert zu. Sepp Räuschl, ein gottesfürchtiger Mensch, wollte von all dem nichts wissen, war ein paar Schritte beiseite gegangen und schaute sich wie beiläufig im Preßhaus um, während der Kurzbacher nachdenklich eine einzelne Weinbeere in die Hand genommen hatte, die zu Boden gefallen war. Langsam taute sie auf und wurde weich. Fürnkranz beobachtete ihn. »Siehst, Friedrich, genau das darf uns nicht passieren. Also probieren wir schnell einmal.« Er griff zu einem schmalen Stück Holz, das etwa auf halber Höhe in einer Ausnehmung der Weinpresse steckte, und lockerte es ein wenig. Knarrend senkte sich ein Ende des Preßbalkens um wenige Zentimeter, ein leises Knirschen war zu hören, verstummte, als der Balken zur Ruhe kam. Es dauerte eine gute Weile, bis unterhalb des Preßkorbes ein kleines hellgrünes Rinnsal entstand. »Na also!« Fürnkranz tupfte einen Tropfen auf das Meßfeld des Refraktometers und hielt es gegen das Licht. Mit einer raschen Bewegung wandte er sich seinen Helfern und dem Beamten zu. »Gewonnen! 31 Grad. Jetzt gehen wir’s richtig an.« Er warf einen prüfenden Blick auf die Stellung des Preßbalkens.
    »Ich hab nie so richtig begriffen, wie das alles funktioniert«, gab Polt zu.
    Fürnkranz trat neben ihn.
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