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Polterabend

Polterabend

Titel: Polterabend
Autoren: Alfred Komarek
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Karin Walter eigentlich mehr Polt bedeuten mußte. Diese neue Sensibilität gegenüber einer gewissen Dickleibigkeit galt auch dem Kater Czernohorsky. Das unvernünftige Tier nahm die fettarme Nahrung zwar mit sichtlichem Widerwillen entgegen, doch was bedeutete das schon angesichts gestärkter Vitalkraft und erhöhter Lebenserwartung.
    An diesem Tag waren Diätfragen allerdings ziemlich ohne Bedeutung. Polt war schrecklich müde, und mehr noch: Er verspürte ohnmächtige Wut. Kratkys Leute hatten das alte Preßhaus und den Keller von Karl Fürnkranz so gründlich und rücksichtslos durchsucht, daß es Polt wie eine schamlose Entblößung empfand. Sie hatten den Preßkorb mit Gewalt auseinandergetrieben und den grausigen Inhalt für die spätere Obduktion in die Burgheimer Aufbahrungshalle geschafft. Mit Fürnkranz war Kratky so umgegangen, als wäre es nur noch eine Frage der Zeit, ihn des Mordes zu überführen. Polt gestand sich ein, daß dieses Vorgehen wahrscheinlich gerechtfertigt und professionell war. Aber Kratky war mit dem Fürnkranz und den anderen eben nicht nachts im Weingarten gestanden. Er wußte nicht, mit welchen Männern er es zu tun hatte, in welcher Welt er da herumtrampelte und was er alles dabei zerstörte.
    Polt zuckte zusammen, als er ein energisches Klopfen an der Tür hörte. Unwillig stand er auf, um zu öffnen, und stand zu seiner Überraschung vor Harald Mank, seinem Dienststellenleiter. »Grüß dich, Simon!« Mank zog die Uniformjacke aus, ließ sie zu Boden fallen, nahm an Polts Frühstückstisch Platz und griff mit spitzen Fingern nach einem Topfenbrot. »Das ist genießbar?«
    Ja, schon.«
    »Erstaunlich. Und abscheulich gesund, nicht wahr?« Mank legte das Brot zurück. »Ganz abgesehen davon: Zum Teufel mit der Gendarmerie, Simon!«
    »Hat dich der Kratky geärgert?«
    »Nicht mehr als sonst. Er tut halt, was er glaubt, tun zu müssen. Hast du nichts Süßes im Haus?«
    »Eigentlich nicht... oder doch: Quittengelee von der Karin Walter.«
    »Her damit, ich hab Trost nötig.«
    Polt gönnte Harald Mank diesen sehr privaten Genuß eigentlich nicht, stellte aber doch ein Tellerchen mit einer kleinen Portion vor ihn hin.
    »Schaut seltsam aus.« Mank kostete. »Hartgummi mit Zitronensäure. Na, das muß eine Liebe sein.«
    »Du weißt nicht, was gut ist.«
    »Sagt meine Frau auch immer. Du, Simon, das bleibt jetzt unter uns: Ich geh weg, schon bald, Anfang nächsten Jahres.«
    »Gibt es nicht!«
    »Gibt es doch. Du kriegst einen neuen Dienststellenleiter, ich weiß auch schon wen. Einen jungen, nicht aus unserer Gegend. Er hat telefoniert mit mir, heute morgen. Von dem Vorfall im Fürnkranz-Preßhaus hat er schon gewußt, und auch davon, daß du bei der Eisweinlese mitgeholfen hast.«
    »Ja und?«
    »Das ist wieder einmal typisch für die ungesunde Verstrickung von Dorfleben und Polizeiarbeit, hat er gesagt. Damit wird er aufräumen, gründlich auch noch.«
    »So, wird er.«
    »Mir kann’s ja egal sein, Simon. Mich hat man weggelobt, nach Breitenfeld, Bezirksposten. Den Streß dort kannst du dir vorstellen, bei den Rationalisierungsmaßnahmen heutzutage.«
    »Und du hast dich nicht wehren können?«
    »Nicht wirklich. Und dann noch meine Frau! Endlich sind wir wer im gesellschaftlichen Leben einer richtigen Stadt, hat sie gesagt. Weiber sind doch wirklich das letzte.«
    Polt konnte dem nicht zustimmen, andererseits verstand er den Kummer seines Vorgesetzten und schwieg. Czernohorsky hatte sich indes der Uniformjacke Manks angenommen, war in einen der Ärmel geschlüpft und bewegte sich als eine Art textiles Ungeheuer durchs Zimmer. Mank warf ihm einen gleichgültigen Blick zu. »Der Fürnkranz kann einem leid tun«, sagte er dann.
    Polt nahm einen Bissen vom Topfenbrot, kaute lange und unfroh, bevor er schluckte. »Schon. Aber andererseits werd ich nicht klug aus ihm.«
    »Ein tapferer Mensch jedenfalls, Simon. Manch einer wär vor die Hunde gegangen, ohne Frau, mit einem Buben, der nicht mithilft. Und was tut der Fürnkranz? Macht jede verfügbare Schulung, läßt keine Gelegenheit aus, von anderen zu lernen. Heute ist er verdienterweise einer der erfolgreichsten Weinbauern der Region. Aber er versteht nicht nur was vom Wein. Dieser Mensch liest Bücher, besucht Seminare zu allen möglichen Themen. Der Fürnkranz Karl lebt mit zweihundert Prozent, mein Lieber.«
    »Weil er sonst womöglich nachdenken müßte über sich.«
    »Kannst recht haben. Aber ungut ist er deshalb nie geworden.
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