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Polgara die Zauberin

Polgara die Zauberin

Titel: Polgara die Zauberin
Autoren: David Eddings
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Schwester nicht gemocht hätte, aber er schuf gerade ein Kunstwerk, und kein Künstler hat es gerne, wenn man ihn während eines Anflugs von Kreativität stört. Prinzessin Beldaran war so dick in Pelze eingemummt, daß sie kaum die Ärmchen bewegen konnte. Auch Beldaran trug nichts Wesentliches zum Meisterwerk ihres Bruders bei. Sie machte statt dessen Schneebälle, begutachtete jeden mit ernster Miene, sobald er fertig war, wischte mit der behandschuhten Faust ein paar vorwitzige Grate weg und warf ihn dann ohne ersichtliche Regung in Richtung ihres Bruders. Sie traf ihn nicht sehr oft, aber oft genug, um ihn aus seiner Konzentration zu reißen. Er biß die Zähne zusammen und ignorierte sie. Er liebte sie, ignorierte sie aber meist. Er hatte die Erfahrung gemacht, daß er so ein ruhigeres Leben hatte. Beldarans Stimme glich der ihrer Mutter. ›Ausdrucksstark‹ nannte sein Vater sie. Geran fielen noch ein paar andere Worte ein, um die durchdringende Stimme seiner Schwester zu beschreiben, aber er achtete peinlich genau darauf, sie nicht in Gegenwart von Mutter zu äußern.
Er war sehr erleichtert, als die Gräfin – oder was auch immer – nach einer guten Stunde wieder heraufkam und Beldaran mitnahm. Er kam zu den letzten Feinheiten seines Kunstwerks und konnte jetzt wirklich keine Störung gebrauchen. Nach eingehender Überlegung gelangte er zu dem Entschluß, daß die Möhren, die er als Nasen benutzt hatte, zu komisch aussahen, und nahm statt dessen Rüben. Das war wesentlich besser, entschied er. Er hatte jetzt seit einer Woche an den Schneeskulpturen gearbeitet und war gut vorangekommen. Sieben wilde, wenn auch etwas kuglige weiße Soldaten säumten bereits die Zinnen und schauten finster auf den Hafen hinunter. Prinz Geran war zuversichtlich, ein ganzes Regiment zustande zu bringen, falls das winterliche Wetter lange genug anhielt.
»Ist der nicht bärenstark, Wolf?« fragte Geran seinen Gefährten, nachdem er die letzten Handgriffe an dem siebten Wachposten ausgeführt hatte.
»Man sieht den Sinn dafür nicht ganz ein«, äußerte Wolf höflich. Geran meinte einen Hauch von Kritik in der Bemerkung seines Freundes zu entdecken. Wölfe sind manchmal schrecklich vernünftig.
An diesem Punkt griff Prinz Geran auf einen Ratschlag seines Großvaters zurück. »Es ist ein Brauch«, erläuterte er.
»Oh«, meinte Wolf, »dann ist es in Ordnung. Bräuche müssen keinen Sinn haben.«
Großvater hatte Geran im Verlauf jenes Sommers, den der Junge im Tal verbracht hatte, die Sprache der Wölfe beigebracht. Das war damals ein Gebot der Notwendigkeit gewesen, da Großvater und Großmutter sich hauptsächlich in Wölfisch unterhielten. Geran war ziemlich stolz auf seine Sprachkenntnisse, obwohl Wolf ihm manchmal seltsame Blicke zuwarf. Ohrbewegungen spielen eine recht wichtige Rolle in der wölfischen Sprache, und da Geran nicht mit den Ohren wackeln konnte, bewegte er sie statt dessen mit den Fingern. Wolf schien das ein klein wenig sonderbar zu finden.
Geran war sehr stolz auf Wolf. Die anderen Jungen auf der Insel der Winde hatten Hunde, die sie ›Haustiere‹ nannten. Wolf dagegen war Gerans Gefährte, und sie redeten die ganze Zeit miteinander. Wolf besaß, wie Geran mehrfach aufgefallen war, einige merkwürdige Eigenarten. Manchmal mußte man ihn behandeln wie ein rohes Ei, um ihn nicht zu kränken. Geran wußte, daß Wölfe spielen, aber das wölfische Spiel ist eher eine Art freundschaftliche Balgerei. Die komplizierte Natur des menschlichen Spiels konnte Wolf nicht begreifen, so daß Geran ziemlich oft erklären mußte, es handle sich um ›Bräuche‹.
Geran dachte selten über Wolfs Herkunft nach. Großmutter hatte Wolf als elternlosen Welpen im Wald in der Nähe von Kell in Mallorea gefunden, und Geran gab sich große Mühe, alle Erinnerungen an das, was in Mallorea passiert war, aus seinem Gedächtnis zu verbannen. Er hatte indes noch gelegentlich Alpträume wegen Zandramas, in denen die winzigen Lichtpünktchen, die unter ihrer Haut gefunkelt hatten, eine tragende Rolle spielten. Doch diese Alpträume wurden immer seltener, und Geran hoffte zuversichtlich, daß sie schließlich ganz verschwinden würden, wenn er sich nur standhaft weigerte, daran zu denken. Entschlossen unterdrückte er die flüchtigen Gedanken und widmete sich wieder seinen Schneewächtern.
Der Abend zog hoch über den Zinnen der Stadt Riva herauf, als Vater hochkam, um seinen Sohn und Wolf zu holen. Geran wußte, daß Vater der
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