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Plötzlich Fee Bd. 3 Herbstnacht

Plötzlich Fee Bd. 3 Herbstnacht

Titel: Plötzlich Fee Bd. 3 Herbstnacht
Autoren: Julie Kagawa
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dem Gesicht. »Na dann, los geht’s. Wünsch mir Glück.« Und bevor ich den Mut verlor, trat ich auf die Auffahrt und zwang meine Füße, mich Richtung Haus zu tragen.
    Solange ich denken konnte, hatte die mittlere Stufe immer geknarrt, wenn ich draufgetreten war, ganz egal, wo ich meinen Fuß hinsetzte oder wie sanft ich auftrat. Jetzt knarrte sie nicht, nicht einmal das leiseste Knarzen war zu hören, als ich die Stufen hinaufglitt und vor der Fliegentür stehen blieb. Alle Fenster waren dunkel, nur die Motten flatterten um die Lampe auf der Veranda und warfen zuckende Schatten über die verwitterten Holzstufen.
    Es wäre ein Leichtes für mich gewesen, die verschlossene Tür zu öffnen. Türen und Schlösser stellten für mich keine Hindernisse mehr dar. Ein paar geflüsterte Worte, ein wenig sanft gestoßener Schein, und schon würde die Tür von ganz allein aufschwingen. Ich hätte völlig ungehindert ins Wohnzimmer treten können, unsichtbar wie ein Windhauch.
    Ich verzauberte die Tür nicht. Heute Nacht wollte ich, zumindest für kurze Zeit, ein Mensch sein. Also hob ich eine Hand und klopfte laut gegen das ausgebleichte Holz.
    Zunächst kam keine Reaktion, im Haus blieb alles dunkel und still. Irgendwo in der Nacht bellte ein Hund.
    Schließlich wurde drinnen Licht gemacht und Schritte näherten sich. Hinter den Türvorhängen erschien eine Silhouette, dann tauchte Lukes Gesicht hinter der Scheibe auf, das misstrauisch nach draußen spähte.
    Erst schien mein Stiefvater mich gar nicht zu sehen, obwohl ich ihm direkt ins Gesicht starrte. Er runzelte die Stirn, ließ den Vorhang wieder fallen und trat von der Tür zurück.
    Ich seufzte schwer und klopfte noch einmal.
    Diesmal wurde die Tür mit Schwung aufgerissen, als wolle derjenige auf der anderen Seite den Witzbold erwischen, der um Mitternacht an seine Tür klopfte.
    Luke starrte mich an. Ich fand, er sah älter aus. Seine braunen Augen wirkten müder als früher und sein Gesicht war von Falten durchzogen. Er musterte mich verwirrt, ohne die Hand vom Türknauf zu nehmen. »Ja?«, fragte er, als ich nichts sagte. »Kann ich Ihnen helfen?«
    Er erkannte mich immer noch nicht. Das überraschte mich nicht, und eigentlich machte es mich auch nicht wütend. Ich war nicht mehr das Mädchen, das vor einem Jahr im Feenreich verschwunden war. Doch bevor ich etwas sagen konnte, wurde die Tür weit aufgerissen und Mom erschien im Türrahmen.
    Wir starrten uns an. Mein Herz raste, da ein Teil von mir fürchtete, Mom könnte mich ausdruckslos und verwirrt ansehen und das seltsame Mädchen auf ihrer Veranda nicht erkennen. Doch eine Sekunde später stieß Mom einen leisen Schrei aus und stürzte durch die Tür.
    Im nächsten Moment lag ich in ihren Armen und umklammerte sie, so fest ich konnte, während sie gleichzeitig weinte und lachte und mich mit tausend Fragen bombardierte. Ich schloss die Augen und ließ mich von diesem Augenblick umfangen, hielt ihn fest, solange ich konnte. Wenigstens ein paar Herzschläge lang wollte ich mich daran erinnern, wie es sich anfühlte, keine Fee, keine Schachfigur oder Königin, sondern einfach nur eine Tochter zu sein.
    »Meggie?«
    Ich lehnte mich etwas zurück und sah durch die offene Tür Ethan, der am Fuß der Treppe stand. Er war größer, älter. Er musste mindestens fünf Zentimeter gewachsen sein, während ich weg war. Doch seine Augen waren unverändert: strahlend blau und todernst.
    Als ich ins Wohnzimmer ging, stürmte er nicht auf mich zu und er lächelte auch nicht. Vollkommen gelassen – als hätte er schon immer gewusst, dass ich zurückkommen würde – kam er näher, bis er nur noch knapp einen halben Meter von mir entfernt war. Ich kniete mich hin. Er musterte mich nur und hielt meinem Blick mit einem Gesichtsausdruck stand, der viel zu erwachsen für ihn war.
    »Ich habe gewusst, dass du zurückkommen wirst.« Seine Stimme hatte sich ebenfalls verändert, sie war klarer und selbstsicherer geworden. Mein Halbbruder war jetzt kein Kleinkind mehr. »Ich habe es nicht vergessen.«
    »Nein«, flüsterte ich, »du hast es nicht vergessen.«
    Ich breitete die Arme aus, und endlich kam er zu mir und vergrub seine Fäuste in meinen Haaren. Ohne ihn loszulassen, stand ich auf und fragte mich, ob das vielleicht das letzte Mal war, dass ich ihn so halten konnte. Wenn ich ihn das nächste Mal sah, war er vielleicht schon ein Teenager.
    »Meghan.« Moms Stimme sorgte dafür, dass ich mich zu ihr umdrehte. Sie stand an der
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