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Plasma City

Plasma City

Titel: Plasma City
Autoren: Walter Jon Williams
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auch mit Cousinen und Neffen und Nichten in einer winzigen Sozialwohnung in einer Barkazil-Gegend zusammengepfercht. Wenn es nach ihr ginge, würde sie nie wieder in die Nähe eines Kleinkindes kommen.
    Im Eingangskorb liegen sogar drei Kapseln mit Nachrichten. Aiah öffnet sie. Alle drei drehen sich um die bevorstehende Sitzung, kommen aber von verschiedenen Vorgesetzten.
    Anscheinend herrscht da oben ein gewisses Chaos.
    Die gelben Anzeigen des Computers starren sie böse an.
    Sie pellt sich die Rüschen vom Handgelenk, beantwortet die Botschaften, steckt die Zettel in die Kapseln und schaut auf die in Plastikfolie eingeschweißte Liste, um die richtigen Rohrpost-Adressen der Vorgesetzten zu finden. Mit den kleinen Rädchen stellt sie die Adressen auf den Transportkapseln ein und schiebt sie nacheinander ins Rohr. Zischend werden sie ihr aus den Fingern gesaugt und Aiah stellt sich vor, wie die Behälter durch die Dunkelheit rasen wie die Passagiere in einem Trackline-Zug.
    Was ist das Schlimmste in einer Stadt, die so groß ist wie die ganze Welt?
    Fünfundzwanzig Jahre alt zu sein und genau zu wissen, wie man den Rest seines Lebens verbringen wird.
     
    Erdbeben in Pantad
    Angeblich 40 000 Tote!
    Einzelheiten im Wire!
     
    Aiah hat gelernt, die Ohrenschmerzen zu ignorieren, die ihr der schwere Bakelitkopfhörer bereitet. Wenigstens blendet der Kopfhörer teilweise aus, was Jaymes kräftige Lungen produzieren.
    »09.34 Uhr, Antenne Zwölf auf 122,5 Grad drehen. Verstanden?« Der Disponent am anderen Ende der Leitung hat keine besonders guten Lungen. Er keucht bei jedem Wort, und jeder Satz wird von trockenem Husten unterbrochen. Manchmal hört Aiah, wie er an einer Zigarette zieht.
    »Verstanden«, wiederholt Aiah. »09.34 Uhr, Antenne Zwölf auf 122,5 Grad drehen. Bestätigt.« 09.34 Uhr, das ist in sechs Minuten. Sie notiert den Auftrag im Logbuch und gibt die Befehle in den Computer ein. Im Innern des mattschwarzen Apparats klicken und surren die Schalter.
    122,5 Grad, das dürften die Mage Towers sein.
    »09.35 Uhr, Antenne Zwölf sendet baw mit 1800mm. Verstanden?«
    »In Ordnung. 09.35 Uhr, Antenne Zwölf sendet bis auf weiteres mit 1800mm. Bestätigt.«
    1800 Megamehr? Das ist selbst für die Mage Towers eine hohe Sendeleistung. Wer braucht da so viel Plasma?, fragt sie sich.
    Ob es Constantine ist?
    Aiah hält die restlichen Daten im Logbuch fest und bemerkt, dass die Sendestraße 6 frei ist. Sie tippt die Zahlen ein und stellt die Sendeleistung für die Sendestraße 6 auf 1800mm ein. Dann zieht sie ein abgeschirmtes Kabel aus der Halterung und steckt es in die Anschlüsse im Schaltschrank hinter sich, um die Schaltung endgültig freizugeben.
    Bis 09.34 Uhr kommen keine weiteren Anforderungen nach Energie. Aiah fummelt an ihren Rüschen herum. Ihr Nacken brennt. Um sich von der Erinnerung an die Flammenfrau abzulenken, betrachtet sie Gils gerahmtes Bild.
    09.35 Uhr. Der Computer beginnt zu klicken, über der Sendestraße 6 wechselt eine kleine, mechanisch betriebene Anzeige von Weiß nach Weiß-Rot. Auf dem Dach des Gebäudes dreht sich eine riesige, bronzene Sendeantenne langsam auf 122,5 Grad.
    Eine Minute verstreicht. Die Anzeige verändert sich weiter, bis sie völlig rot ist. Der Stromkreis im Schaltschrank ist jetzt geschlossen und löst einen ganz anderen, viel gewaltigeren Plasmastrom im Stahlgerüst des Gebäudes aus. Die Energie wird aus der Sendeantenne abgestrahlt, die Mage Towers empfangen die Sendung.
    BAW. Bis auf weiteres. Genug Plasma, um die Mage Towers die halbe Strecke bis zum Schild zu befördern.
    Aiah streckt die Hand aus und berührt die Regler der Sendestraße, als könnte sie die fließende Energie fühlen oder sogar schmecken, als könnte sie einen Sinneseindruck von dieser Realität gewinnen … aber natürlich geschieht nichts, rein gar nichts, weil das Plasma nicht ihr gehört. Sie lebt in einem Gebäude, das randvoll ist mit dem Zeug, aber sie kann es sich nicht leisten.
    Sie fragt sich, ob Constantine am anderen Ende der Leitung sitzt. Wahrscheinlich nicht.
    Vermutlich ist die Energielieferung wieder einmal für ein Fanal der Konsumgesellschaft bestimmt, für eine gewaltige Reklame für ein alkoholfreies Getränk oder eine neue Schuhmarke.
    Was ist das Schlimmste in einer Stadt, die eine ganze Welt bedeckt?
    Ewig in der Nähe des Objekts seiner Begierde zu leben und es nicht zu bekommen.

 
     
     

     
    Das Leben: Ihres und unseres
    2100, Kanal 2
     
    Urlaubssperre, alle
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