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Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Titel: Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)
Autoren: Eric T. Hansen
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eröffnet. Bis dahin dauerte der Treck quer über den Kontinent vier bis fünf Monate – wenn man überhaupt ankam. Nun konnten Siedler die Strecke mit Sack und Pack in acht Tagen hinter sich bringen, und das für schlappe 65 Dollar pro Person.
    Wer die USA heute betrachtet, meint einen modernen Staat vor sich zu haben: Pop, Jeans, Coca Cola, geschäftige Flughäfen, Megastädte mit vielen Highways, dicken Autos und Wolkenkratzern. Es ist das Amerika, das man nach dem Zweiten Weltkrieg kennengelernt hat. Entstanden ist es aber erst in den zwei Generationen vor dem Ersten Weltkrieg.
    Während europäische Städte gemütlich über die Epochen gewachsen sind und bis heute alle hundert Jahre zum Feiern ihre mittelalterliche Gründungsurkunde rausholen, existierten die meisten amerikanischen Ortschaften 1869 noch gar nicht. Von den aktuell 482 Städten Kaliforniens gab es vor dem Bau der Eisenbahn gerade einmal 31. Los Angeles, Seattle und Dallas hatten je eine Bevölkerung von zwei- oder dreitausend Leutchen. Die Gesamtbevölkerung der USA lag bei 38 Millionen. Bis 1900 verdoppelte sich die Einwohnerzahl, und seitdem hat sie sich alle 50 Jahre noch mal verdoppelt.
    Man sagt, dass Amerika jung ist. Damit meint man aber nicht die Staatsgründung im Jahr 1776, sondern die Erschließung des Kontinents. Das Amerika von heute entwickelte sich nicht über einen längeren Zeitraum, sondern buchstäblich von heute auf morgen, und zwar weil jemand eine große Idee hatte.
    Wir wissen natürlich, dass große Ideen auch schiefgehen können. Und dass irgendjemand immer dafür bezahlt. Fragen Sie die Indianer mal, wie sie die Eisenbahn fanden …
    Als George W. Bush auf die glorreiche Idee kam, ohne echten Grund und rechten Plan im Irak einzumarschieren, war er vorgewarnt. In Reden vor dem Kongress, in Diskussionen im Fernsehen, in Zeitungskommentaren war immer wieder auf das Desaster in Vietnam hingewiesen worden. Man zitierte sogar wiederholt die weisen Worte unseres ersten Präsidenten George Washington, der alle Nachfolger vor politischem Engagement in anderen Ländern warnte: »Als Richtlinie, was unser Verhalten gegenüber fremden Nationen betrifft, sollen wir unsere wirtschaftlichen Beziehungen ausbauen, aber so wenig politische Verstrickungen eingehen wie möglich.«
    Es war, als ob man Bush Junior direkt ins Gesicht gesagt hätte: »It’ll never fly.«
    Und Sie wissen ja, was dann passiert …
    Amerikaner gelten zwar als pragmatisch, und hielten wir uns an George Washington, wären wir auch so, aber wenn wir uns in eine große Idee verlieben, werfen wir alle Bedenken über Bord. Es liegt am Land selbst, an seiner Weite. Der Kontinent selbst ist zwar bis zur kalifornischen Küste erschlossen, aber die verrückte Idee – die ist noch Neuland, und das will von uns einfach erobert werden. Wer hier geboren ist, ahnt schon als Kind, dass es immer auch noch eine Nummer größer geht. Plötzlich ist die Geschichte wie weggeblasen, und man ist gleichsam der erste Mensch auf Erden und darf alles von vorn ausprobieren. Die Warnungen, die vielen Male, da etwas versucht wurde und misslang – all das spielt keine Rolle mehr, und wir sagen uns stattdessen: »Warum eigentlich nicht?«
    Wie immer hat die Popkultur es auf den Punkt gebracht. Der bekannte Spruch aus der alten TV -Serie Raumschiff Enterprise beschreibt die Lust – und Pflicht – eines jeden Amerikaners, irgendetwas anzupacken, das noch niemand sonst bisher gewagt hat: »To go where no man has gone before« – »In Galaxien vorzudringen, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat« eben.
    Und Spinner erfüllen diesen Auftrag auf ihre ganz persönliche Art und Weise. Wir fühlen uns dann wie Pioniere, die in guter alter Tradition eine wilde und bedrohliche Terra incognita betreten.

3
Wir wollen nicht regiert werden
    W ir Amerikaner sprechen oft von Recht und Ordnung.
    In unseren Western beispielsweise spielen wir das stets aufs Neue durch. Immer wieder geht es um einen Sheriff, der allein gegen einen reichen, mächtigen und kriminellen Rancher antreten muss. Er kämpft allein auf weiter Flur, weil er weiß, Fairness, Gerechtigkeit und Moral können nur siegen, wenn das Gesetz siegt. Wir nennen es »rule of law« – das Prinzip, dass nicht der Stärkere oder der mit der größten Waffe das Sagen hat, sondern das Gesetz. Wenn wir über den Wilden Westen sprechen, erzählen wir mit nostalgischem Stolz, wie wir damals das Chaos gebändigt, Willkür durch Recht ersetzt und dem
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