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Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Titel: Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)
Autoren: Eric T. Hansen
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Unsere Version davon heißt: »It’ll never fly.« – »Es wird niemals fliegen.« Allerdings ist dieser Satz heute zumeist ironisch gemeint: Die Idee ist vielleicht dumm, und es stimmt schon, dass ich nicht daran glaube – aber ich wäre nicht überrascht, wenn es doch funktioniert …
    Vermutlich stammt »It’ll never fly« aus der Zeit der Brüder Wilbur und Orville Wright: Als die beiden 1903 ihre dumme Idee eines Motorflugzeugs beim Patentamt anmelden wollten, wurde ihr Antrag mit den Worten abgewiesen: »Das Gerät ist nicht in der Lage, seine beabsichtigte Funktion zu erfüllen.« Zu Recht. Damals war der Versuch zu fliegen gleichbedeutend mit Selbstmord. Schon mehrere Verrückte waren bei ihren Flugversuchen unter großem Medientrubel spektakulär ums Leben gekommen, einschließlich des Deutschen Otto Lilienthal im Jahr 1896.
    Es war tatsächlich eine dumme Idee. Bis es dann, 1903 in Kitty Hawk, auf einmal doch keine dumme Idee mehr war.
    Davor besaßen wir aber auch schon genügend Begriffe, um eine bekloppte Idee angemessen zu beschreiben. Zum Beispiel »madness« – »Wahnsinn«.
    »Ein großartiges Projekt, könnte vielleicht in hundert Jahren realisiert werden. Es wäre reiner Wahnsinn, heutzutage schon an so etwas zu denken«, meinte etwa Thomas Jefferson, Gründervater und dritter Präsident der Vereinigten Staaten, recht zurückhaltend, als DeWitt Clinton, Bürgermeister von New York, ihn 1807 um finanzielle Unterstützung aus der Staatskasse für eine besonders dumme Idee bat.
    Clinton wollte einen Kanal bauen.
    Nicht mal George Washington, dem Kriegshelden, der England den Hosenboden versohlt hatte, war es als Präsident gelungen, dem Kongress das nötige Geld für einen Kanal von damals bloß 48 Kilometern aus den Rippen zu leiern.
    Und Clinton wollte nun einen mehr als zehnmal so langen Kanal mit 172 Metern Höhendifferenz anlegen – durch unbewohnte Wildnis, einen ausgedehnten Sumpf und quer über zwei große Flüsse hinweg. Man würde 8,7 Millionen Kubikmeter Erde ausheben müssen: dreimal mehr, als zum Bau der Großen Pyramide nötig gewesen war. Und das in einem Land, das kaum erfahrene Ingenieure aufweisen konnte. Bald sprach man nur noch von »Clintons Grube«.
    Das störte Clinton überhaupt nicht.
    Er war wie im Fieber. Es war das Fieber der großen Idee. Die Stadt New York nahm Schulden auf und fing einfach an zu bauen. Man passte ahnungslose und völlig unerfahrene Einwanderer gleich am Hafen ab, um die notwendige Anzahl von 50.000 Arbeitern zusammenzubekommen. Um das Projekt zu beschleunigen, entwickelte man nebenher eine neue Art, Bäume zu fällen und abzutransportieren. Anstatt teuren Zement aus Europa zu importieren, suchten und fanden die Macher geeignete Erde in der Umgebung.
    Acht Jahre später waren sie fertig, und Investoren und Gläubiger überall auf der Welt beobachteten neugierig, ob »Clinton’s ditch« auch benutzt werden würde.
    Und was soll man sagen: Die Schulden waren in weniger als fünf Jahren zurückgezahlt. Denn bis dahin hatte es drei Wochen gedauert und 120 Dollar gekostet, um eine Tonne Mehl über die Strecke zu transportieren. Auf dem Kanal dauerte es acht Tage und kostete nur sechs Dollar. Und wichtiger noch: Er machte aus New York City … New York City!
    Bis dahin war der Ort nämlich nicht annähernd so wichtig wie Boston oder Philadelphia. Nach dem Bau des Kanals flossen indes 62 Prozent aller amerikanischen Exporte durch New York, und die Bevölkerung wuchs alle zehn Jahre um ein Drittel. Der legendäre Investor John Jacob Astor, seinerzeit der reichste Mann Amerikas, soll sich noch auf seinem Totenbett 1848 geärgert haben, dass er damals, als er noch die Chance besaß, nicht ganz Manhattan aufgekauft hatte.
    Der Eriekanal war der Anfang der endlosen amerikanischen Liebe zu gewagten Ideen.
    Von dem Moment an, als wir begriffen, dass ausgerechnet in einem Land, das noch ziemlich klein, ausgesprochen unerfahren und erst 45 Jahre alt war, die Umsetzung wirklich großer Ideen möglich war, schlug unser Herz schneller.
    Als der deutsche Einwanderer John Augustus Roebling 1883 die Brooklyn Bridge entwarf, fiel sie ein Drittel länger aus als jede andere Hängebrücke, die bis dato gebaut worden war. Sie war schlichtweg zu groß, um realistisch zu sein. Als das Ding nach 13 Jahren Bauzeit und 27 Todesfällen unter den Arbeitern (inklusive Roebling selbst) endlich eröffnet wurde, waren die New Yorker so skeptisch, dass der unbedachte Kommentar eines
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