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Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Titel: Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)
Autoren: Eric T. Hansen
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Wir spinnen. Wir bemühen uns ja, so manierlich, gebildet und zivilisiert zu sein wie die Europäer, aber es gelingt uns einfach nicht, und manchmal möchten wir selbst nicht hinschauen.
    Die amerikanische Spinnerei ist wie Sex: eine urtümliche, barbarische und amoralische Kraft, die Schaden und Opfer nicht scheut, die aber immer zum Neuen, zum Eigenen, zum Unerprobten, zum Unerlaubten drängt.
    Vor allem lieben wir dumme Ideen.
    Guten Ideen zum Erfolg verhelfen kann jeder. Die wahre Herausforderung sind dumme Ideen. Sie sind der unerforschte Kontinent, auf den sich keiner – na ja, fast keiner – traut.
    Niemand weiß zum Beispiel, wie John R. Brinkley auf seine dümmste und zugleich erfolgreichste Idee gekommen ist. Ich vermute, es begann als Witz.
    Brinkley war einer der ambitioniertesten Quacksalber der amerikanischen Geschichte. Gleich nachdem er sein Diplom von einer Scheinuniversität namens »Kansas City Eclectic Medical College« gekauft hatte, begann seine atemberaubende Karriere, die ihn zum Pionier in Sachen Medizin, Medien und Scharlatanerie machte. Als falscher Arzt experimentierte er zunächst mit Radiowerbung, dann versuchte er sich an ganzen Radiosendungen; 1923 schließlich baute er in Kansas einen eigenen Radiosender auf, der aufmunternde Musik spielte und von wo aus er kranken, verzweifelten Patienten nutzlose Heilmittel andrehte.
    Bald schon war er Multimillionär mit mehreren Villen und schicken Autos. Das Volk liebte ihn. Zweimal kandidierte Brinkley sogar für das Amt des Gouverneurs von Kansas. Er verlor zwar, aber nur knapp. Immer wieder versuchten die Behörden, ihm den Garaus zu machen, aber er zahlte so viele Steuern – und vielleicht mehr als dies –, dass der Bundesstaat Kansas seine schützende Hand über ihn hielt. Und warum auch nicht? Er war ein Star, und Kansas konnte Stars gebrauchen. Waren Sie schon mal in Kansas?
    Brinkleys berühmtester Schwindel war der mit den Ziegenhoden.
    Er betrieb schon eine Weile eine Klinik für Grippe-Patienten, die recht erfolgreich und respektiert war, als sich ein Herr mit einer diskreten Bitte an ihn wandte: Ob er, Brinkley, einem Freund helfen könne, der »sexuell schwach« sei. Da rutschte dem falschen Doktor ein Witz über die Lippen: »Mit den Hoden eines Ziegenbocks hätten Sie da keine Probleme mehr!«
    Eine dumme Idee war geboren. Brinkley fing in seiner Klinik sofort damit an, Männern den Hodensack aufzuschlitzen und Ziegenhoden hineinzustopfen. Einfach so: Öffnen, Ziegenhoden reinlegen, wieder zunähen.
    Erstaunlicherweise starben die Patienten nicht. Im Gegenteil: Ein glücklicher Zufall half dem Quacksalber sogar. Nach einer der ersten Transplantationen wurde die Ehefrau des Patienten tatsächlich schwanger. Das schlachtete Brinkley gnadenlos aus. Plötzlich war die Ziegenhoden- OP nicht nur Heilmittel gegen Impotenz, sondern gleich gegen 27 Leiden, inklusive Demenz und Flatulenz. Er verlangte 750 Dollar pro Eingriff. Bald standen »sexuell schwache« Herren Schlange vor seiner Klinik.
    Natürlich versuchte man, ihn aufzuhalten. Und als einige seiner Patienten dann doch starben, sah es kurzzeitig auch so aus, als ob man ihm das Handwerk legen könne. Man fand schließlich jedoch heraus, dass nicht die Fremdkörper im Hodensack die Todesursache waren – die stellten kein Problem dar, der Körper absorbierte sie einfach –, sondern die recht lässigen Hygienestandards, die in der Fließband-Klinik herrschten. Ihm wurde insgesamt über ein Dutzend Mal der Prozess gemacht, und er musste einen nicht unerheblichen Teil seines Gewinns in Anwaltskosten und in Werbekampagnen zur Schadensbegrenzung stecken. Trotzdem lohnte es sich nach wie vor für ihn.
    Dann machte er einen Fehler.
    Immer wieder wurde er in der Öffentlichkeit wegen Quacksalberei angeprangert, und immer wieder überlebte er es. Bis es ihm eines Tages zu bunt wurde. Er klagte gegen einen seiner Kritiker wegen Verleumdung.
    Das hätte er besser nicht tun sollen. Zum Tatbestand der Verleumdung gehört in Amerika mehr, als nur jemanden öffentlich zu beleidigen. Man muss dabei auch noch die Unwahrheit sagen. Brinkley hatte wohl nicht kommen sehen, dass das Gericht im Zusammenhang mit seiner Klage gleich auch noch der Frage nachgehen würde, ob der Vorwurf der Quacksalberei denn zu Recht geäußert wurde. Was muss es für eine Überraschung für den armen Brinkley gewesen sein, als der Richter am Ende feststellte, dass er tatsächlich ein Quacksalber war.
    Das Urteil löste
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