Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis

Titel: Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis
Autoren: Daniel G. Keohane
Vom Netzwerk:
oder?! Geheimnisse und noch mehr Geheimnisse ...« Die Stimme klang männlich, aber ... aber wie losgelöst. Eine körperlose Stimme, die zu keiner Person, zu keinem Mund gehörte – Hör auf damit , dachte er. Das ist verrückt!
    Wer bist du? Er schrie, aber er konnte seine eigene Stimme immer noch nicht hören, nicht einmal ein Echo hallte in seinem Kopf wider. Ein neuerlicher Anfall von Platzangst überkam ihn, ein Gefühl, als gäbe es nicht genügend Luft. Er ließ seine Finger über den Teppich gleiten, um sich zu beschwichtigen.
    Und er fühlte Gras.
    Hohes Gras, das schon seit einer Weile nicht mehr gemäht worden war. Als er sich vorbeugte, kitzelten die Spitzen einiger Halme seine Nase. Bill zuckte zurück, strich sich über Gesicht und Arme, und ließ daraufhin langsam seine Hände wieder sinken. Es war definitiv Gras.
    Wie ...
    Die Finsternis begann sich zu lichten. Die Beschaffenheit der Augenbinde über seinem Gesicht änderte sich zwar nicht, jedoch konnte Bill schemenhaft einen Ausschnitt erkennen. Die Szenerie war verschwommen, als ob man sie durch einen dünnen Schleier beobachten würde.
    Seine Hand befand sich im Gras. Darunter lag Erde, die sich unter den Fingernägel absetzte.
    Das ergab keinen Sinn. Er hatte sich keinen Zentimeter weg von dem Teppich bewegt, und doch stand er jetzt im Freien? Aber wenigstens konnte er etwas sehen.
    Bill versuchte erneut, die sich auflösende Maske abzuziehen, doch seine Nägel kratzten bloß leicht über seine Wangen, aber fanden keinen Halt. Die Finsternis verblasste zu einem anhaltenden Nebel, ein durchscheinender Schleier, der vor ihm hing.
    Er konnte jetzt sehen, wo er sich befand – er kauerte auf allen vieren auf einem vertrauten Berghang. Sein Gehirn wirbelte vor plötzlich einsetzender Höhenangst. Das ist nicht der Ort, an dem er sich vorher befunden hatte. Er war ... wo gewesen? Er konnte sich nicht erinnern.
    Die Umgebung in seiner Vision zeigte sich so schmierig-schwarz, wie die Fenster vor einigen Minuten ebenfalls ausgesehen hatten, doch er erkannte die Anhöhe. Von hier aus konnte man das kleine Örtchen Hillcrest überblicken; das war die nächste Stadt, von wo er ... wo er was? Nach seinem Abschluss war Bill aus dem Haus seiner Mutter in Worcester ausgezogen und hatte nicht lange nach seiner Ankunft in dieser Stadt ... irgendwen getroffen. Er konnte sich nicht einmal erinnern, wo er sich eben noch aufgehalten hatte ...
    Jemand kam über den Hügel herangelaufen, eine verschwommene Figur, die schärfer wurde, als sie sich dem einsamen Baum vor ihm näherte. Der Baum selbst war deutlich zu erkennen und stand im Mittelpunkt aller Dinge. Die Figur entpuppte sich nun als junge Frau mit schwarzem Haar. Eine Asiatin. Kambodschanerin , dachte er, außerstande zu begreifen, woher er das wusste. Bill hockte sich nieder, bereit fortzulaufen, sollte sie ihn fragen, was er hier tat. Nachdem sie den Gipfel erreicht hatte, kniete sie sich in das Gras, das neben dem Baum wuchs. Er war in der Lage, ihr Gesicht zu erkennen, aber eine Wolke schwebte über seiner Erinnerung, die es ihm unmöglich machte, sie in einen Zusammenhang mit einem Leben zu bringen, an das er sich kaum entsinnen konnte.
    Sie arrangierte einen kleinen Blumenstrauß in ihrer Hand. Als sie damit fertig war, erhob sie sich erneut und lief die letzten verbleibenden Meter auf ihn zu. Ihr Kleid flatterte hinter ihr, während sie rannte, und es bauschte sich auf, als sie sich abermals hinkniete.
    Bill erinnerte sich.
    Er war mit diesem Mädchen, dieser Frau verheiratet.
    Seyha!, sagte er. Er konnte seine Stimme immer noch genauso wenig hören, wie schon kurz zuvor.
    Sie lachte, während sie nebenbei Atem holte. »Ich brauche eine Pause. Aber ich hab dich geschlagen! Merk dir das!«
    Redete sie mit ihm ? Ja, sie befanden sich bei einer Verabredung – ihrer ersten Verabredung. Er mochte sie; dieses schüchterne, aber tapfere Mädchen, das für seinen Boss, Brian Naughton, als Sekretärin arbeitete.
    Sie schob sich eine Strähne schwarzen Haars aus dem Gesicht. Er musste irgendetwas zu ihr sagen. Gott, sie war so schön. Sey, kannst du mich sehen?
    Sie schüttelte den Kopf. »Sie werden uns sicherlich vermissen, wenn wir nicht bald zurückkommen.«
    Ihre Worte erklangen nicht zeitgleich mit ihren Lippenbewegungen. So, als würde sie synchronisiert. Vielleicht, dachte Bill, brauchte der Schall in diesem Albtraumuniversum aus Halberinnerungen länger, um zu ihm durchzudringen. Sie lächelte, und das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher