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Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis

Titel: Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis
Autoren: Daniel G. Keohane
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jeweils anderen und dem wunderbaren Chaos ihrer Adoptivfamilie. In jenem Augenblick waren Bill und Seyha Watts so nahe daran, sich glücklich zu fühlen, wie sie es je sein würden. Und es reichte.
    Da Gem unweigerlich schlecht wurde, wenn sie in einem fahrenden Auto zu lesen versuchte, lenkte sie den Wagen, während Paul den Brief von Bill Watts laut vorlas.
    Vor zwei Tagen waren einige Zentimeter schwerer Märzschnee gefallen, wovon sich auf den Straßen noch eine dünne Matschschicht gehalten hatte. Nach der Ausfahrt von der Interstate 190 ließ sich Gem bei der Fahrt über die Nebenstraßen nach Ledgewood Zeit. Ihr Vater lauschte Paul zufrieden vom Rücksitz aus, warf gelegentlich Kommentare ein und lobte wehmütig die Arbeit der Watts’.
    Gem bog um die letzte Kurve. Im Haus ihrer Eltern herrschte Dunkelheit, während die Fassade von einer altmodischen Lampe neben der Auffahrt erhellt wurde. Gem ließ das Auto in die Auffahrt des Hauses daneben rollen.
    Vor zwei Jahren hatte Bill Watts bei einem geselligen Beisammensein nach dem Gottesdienst beiläufig sein Vorhaben erwähnt, das Haus zu verkaufen. Paul hatte die Kirche damals nur sporadisch besucht, weil er sich häufig in die Abschlussarbeiten für seinen Magistertitel vergrub. An jenem Tag allerdings war er dort. Paul und Gem hatten kurz zuvor davon zu reden begonnen, ein Eigenheim zu kaufen, statt weiterhin in Worcester auf Miete zu wohnen. Allerdings waren die Hauspreise in Massachusetts auf Familien mit zwei Einkommen ausgelegt, und Paul hatte alle Hände voll damit zu tun, zugleich zu arbeiten und abends seine Magisterarbeit abzuschließen. Gem hatte sich nach der Geburt der Zwillinge für ein Dasein als Hausfrau entschieden.
    »Es ist, als sollten wir es besitzen«, hatte Paul an jenem Tag gemeint, »erst recht bei dem Preis, den er verlangt.« Einen Augenblick lang war Gem wieder ein Teenager gewesen und hatte sich selbst in der alten Kirche gesehen. An jenem Abend unterbreiteten sie Bill Watts ihr Angebot, zwei Tage später wurde der Kauf fixiert. Wäre das Haus auf den Immobilienmarkt gelangt, hätte es sich nur ein Blinzeln lang im Portfolio eines Maklers gehalten, bis jemand zugegriffen hätte. Aber die Brookes hatten es bekommen.
    Manchmal fragte sich Gem, ob Bill seine Kaufabsicht ihnen gegenüber ohnehin erwähnt hätte, wenn nicht an jenem Abend nach dem Gottesdienst, dann bei einer anderen Gelegenheit. Er schien so erpicht darauf, es ihnen zu verkaufen, und wirkte danach regelrecht erleichtert. Doch wann immer ihr der Gedanke kam, verdrängte sie ihn sogleich wieder. Schließlich kannten sie den Mann kaum.
    In seinem Brief entschuldigte sich Bill für den umständlichen Weg, sich bei ihnen zu melden, betonte jedoch, dass an seinem Aufenthaltsort das Internet nicht zur Verfügung stand und er gehofft hatte, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, indem er Mark Camez in dasselbe Schreiben mit einbezog. Ferner erkundigte er sich nach dem Haus und ob sie immer noch vorhatten, ein zweites Geschoss über den Schlafzimmern anzubauen. Falls ja, schlug er vor, es bald zu tun, zumal er zum wiederholten Male überlegte, endgültig im Ausland zu bleiben, sobald die Bausaison vorüber wäre, und diesmal könnte er es tatsächlich tun.
    »Ich finde, das ist eine gute Idee«, meinte Paul.
    »Ja«, pflichtete Gem ihm ohne große Überzeugung zu. Die Baukosten waren in letzter Zeit in den Himmel geschnellt; selbst wenn Bill den Auftrag übernähme, würde es teuer werden. Sie würden eine zweite Hypothek für die Finanzierung brauchen. Trotzdem redeten sie nie davon, das Haus zu verkaufen, um sich nach einem größeren umzusehen. Von dem Augenblick an, in dem sie eingezogen waren, hatte sich Gem an dem Ort mehr zu Hause gefühlt als im Heim ihrer Eltern nebenan. Zugegeben, die vorherigen Besitzer hatten hier wenig Glück erfahren, doch Pauls und ihr Leben würde anders verlaufen. Schließlich hatten die Probleme der Watts’ nichts mit dem Haus zu tun gehabt.
    Wenn sie jedoch langfristig bleiben wollten, ließ sich ein Ausbau nicht vermeiden. Aber Gem war müde. Dies war eine Unterhaltung für einen anderen Tag.
    Sie stellte den Motor ab. Im Foyer herrschte Dunkelheit, aber durch die schmalen Fenster neben der Vordertür drang der matte Schimmer einer Lampe aus dem Wohnzimmer. Deanna Davidson hatte es gerne dunkel. Gem hingegen ließ abends so viel Licht wie möglich an. Paul hatte es längst aufgegeben, ihr dies abzugewöhnen, und Gem hatte den Versuch
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