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Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis

Titel: Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis
Autoren: Daniel G. Keohane
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dessen, dass er noch eingeschränkt war, bis sie in anderthalb Jahren achtzehn würde, gleichsam Löcher in die Tasche zu brennen. Einen flüchtigen Moment fragte sie sich, was Paul Brooke treiben mochte, bevor sie den Gedanken schnell wieder verdrängte. Er grüßte sie seit Neuestem viel häufiger, wenn sie sich in der Schule trafen; er hatte sie sogar in jener unrühmlichen Winternacht eingeladen, sich die ›neue Kirche‹ in Westminster einmal anzuschauen. Gem wollte in die Geste jedoch nicht allzu viel hineininterpretieren. Wenn er sie wirklich ausführen wollte, hätte er sich bestimmt etwas Romantischeres ausgedacht.
    Sie erhob sich von ihrem Stuhl und begab sich nach unten. Das Haus präsentierte sich still. Ihr Dad war auf dem Dachboden und bastelte an seinem Amateurfunkgerät – wie üblich. Zweifellos war er gerade in ein Gespräch mit einem anderen Funker vertieft, wahrscheinlich jemand aus Deutschland. Diese gesichts- und körperlosen Stimmen aus dem Äther stellten seine wahre Familie dar. Ihr Bruder und sie bildeten lediglich Randfiguren, die nur dann wieder in sein Blickfeld rückten, wenn ihr Vater so gnädig war und nach unten kam, um zu sehen, was der Rest der Hausbewohner so trieb. Gem versuchte, sich zu erinnern, wohin ihre Mom gehen wollte. Weg ... irgendwohin.
    Gem ließ sich schlussendlich auf der Veranda nieder. Hier konnte man nicht wirklich gut braun werden, aber sie hatte auch nicht vor, sich auf ein Handtuch zu legen und sich von Eliots dämlichem Freund anglotzen zu lassen. Ihr Bruder erschien linker Hand und rannte zurück, um einen langen Pass zu fangen. Als er Gem bemerkte, grüßte er sie, doch sie ignorierte ihn geflissentlich.
    Ein Auto hielt mit quietschenden Bremsen vor der Kirche. Sie beobachtete es mit gleichgültiger Miene, sie verlagerte lediglich ihr Kinn auf eine Faust, um besser sehen zu können, wer da vorfuhr. Das Auto war ein Volvo mit hässlich brauner Lackierung. Gem wusste bereits, wem der Wagen gehörte, noch bevor die große, rothaarige Frau ausstieg. Mrs. Lindu war zurück. Reverend Joyce Lindu und ihre Tochter Rebecca hatten nebenan gewohnt, seit Gem denken konnte. Joyce war zudem die Pastorin in der Kirche gewesen, zumindest solange es eine Kirche gewesen war. Soweit Gem wusste, arbeitete Mrs. Lindu in dem neuen Schuppen, drüben in Westminster, immer noch als Priesterin, aber dort war sie mittlerweile nicht mehr der Oberhoschi. Eine Zeit lang hatte es auch einen Mister Lindu gegeben, aber er hatte sich schon vor einer Weile von ihr getrennt. Was für ein Glück!, befand Gem. Sie war überzeugt, dass es nicht jedermanns Sache war, auf engstem Raum in einem Haus zu leben, das eigentlich eine Kirche darstellte. Als sie an ihn dachte, zog sich ihr Magen angstvoll zusammen, daher konzentrierte sie sich lieber auf Joyce. Die Frau hatte ebenfalls an der Winterzeremonie teilgenommen, und ausgehend von dem kurzen Blick, den Gem damals durch die Türen von ihr erhascht hatte, war die Pastorin nicht allzu glücklich gewesen. Letzten Endes hatte eigentlich keiner so wirklich glücklich ausgesehen, wenn man es recht betrachtete.
    Gems Puls erreichte ein etwas lebhafteres Tempo, als Joyce die Tür schloss und sich so ein Priesterschärpen-Dingsbums um den Hals legte. Sie trug ein Buch und schaute hoch zu dem Haus der Watts’.
    Gemächlich erhob sich Gem und stieg die Treppen der Veranda hinunter. Sie beabsichtigte, ein paar Schritte zu laufen und vorzugeben, sie würde die Jungs beobachten ... aber sie hielt nicht an. Sie ging an Eliot vorbei und ignorierte seinen fragenden Blick. In ihrem Kopf schrie es, Geh zurück, los, geh zurück! , aber ein Gedanke hatte sich wie ein Splitter in ihrem Gehirn festgebohrt, als sie gesehen hatte, wie sich Joyce dieses Ding über ihre Schultern legte. Während Gem über den Rasen lief und dabei das Haus der Watts’ passierte, begriff sie zwei Dinge. Erstens, sie trug keine Turnschuhe. Also würden ihre weißen Socken Grasflecken davontragen. Zweitens, die Frau würde in keinem Fall die Kirche wieder eröffnen und hier auch definitiv nicht noch einmal einziehen. Sie kam wahrscheinlich nur zu Besuch. Gem hatte nun einen Punkt erreicht, an dem sie nicht mehr zurückkonnte: Sie stand auf der Einfahrt der Watts’, während der Asphalt heiß durch ihre Socken brannte. Joyce hielt inne, da der Zugang zum Haus gewissermaßen blockiert war, und schenkte dem Mädchen ein breites Lächeln.
    »Gem!« Joyce schloss zu ihr auf und nahm sie in eine
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