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Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis

Titel: Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis
Autoren: Daniel G. Keohane
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bin’s.«
    Das Ringen hörte auf. »Ich kann dich nicht sehen«, klagte sie. »Ich kann überhaupt nichts sehen!« Seyhas vertraute Gestalt lehnte sich gegen ihn. »Mach es weg von mir, mach es weg!«
    »Schon gut, beruhig dich.« Bill wollte sie beschwichtigen, konnte jedoch kaum die Fassung in seiner Stimme wahren, war er doch selbst verwirrt und voller Panik.
    Er bemerkte, das Seyha nach ihrem Gesicht tastete, ebenso wie er es kurz zuvor getan hatte. Bill griff um sie herum und packte ihre Handgelenke – er tat das nicht so sehr, um sie davon abzuhalten, sich selbst zu verletzen, sondern eher, um seine Frau nicht zu verlieren. Die Blindheit präsentierte sich so vollständig. Plötzlich überkam ihn die Vorstellung, dass sie beide in einer Kiste eingeschlossen waren, die mit Erde gefüllt im Boden vergraben wurde. Sein Atem kam in schnellen Stößen, die Panik in ihm wuchs. Doch er musste vernünftig bleiben, um Seyhas willen. Die anderen begannen sich zu melden – Gem rief nach jemandem namens Eliot, Joyce nach Gem, anschließend nach ihm und Seyha.
    Bill zog seine Frau dicht an sich. »Uns geht’s gut. Wir sind hier«, versuchte er sich bemerkbar zu machen, obwohl er längst nicht mehr sicher war, wo sich dieses Hier befand.
    »Wir sind blind«, schluchzte Seyha gegen seine Brust. Er spürte, wie sie erneut versuchte, ihr Gesicht zu berühren.
    Wir sind blind. Nein, das kann nicht wahr sein.
    »Die Lichter sind nur ausgegangen ...«, beschwichtigte Bill.
    Noch bevor Gem einwarf: »Es ist helllichter Tag!«, wusste er, dass seine Äußerung lächerlich klang. Seine Augen waren geöffnet, denn er hatte sich aus Versehen mehr als einmal selbst hineingepikt, bevor seine Hände damit beschäftigt waren, Seyha festzuhalten. Bill bewegte seine Augen absichtlich von links nach rechts und sah nichts. Gar nichts! Abermals konnte er sich des Eindrucks nicht erwehren, dass etwas sein Gesicht bedeckte. Er wollte nicht noch einmal danach greifen, denn das würde sonst bedeuten, Seyha loszulassen.
    Sie waren nicht blind, sondern einfach nur geblendet .
    »Ruhig«, ertönte Joyces Stimme, nun von etwas weiter weg. »Wir müssen ruhig bleiben. Ich bin mir nicht sicher, in welcher Richtung der Eingang ...« Ihre Stimme verklang gänzlich.
    »Joyce?«
    »Bill!« Das war Seyha – sie schien weit entfernt, obwohl sie sich direkt vor ihm befand. Die Phantomgaze kroch weiter an seinen Wangen zum Hinterkopf entlang. Sie legte sich über beide Ohren wie ein Schaum. Nein. Bitte!
    In einem Moment hatte Bill die Arme seiner Frau noch festgehalten, da war sie urplötzlich verschwunden. Seine Hände waren leer. Er rief laut nach ihr, doch er konnte nicht einmal seine eigene Stimme hören. Voller Verzweiflung zerkratzte er sich das Gesicht und rang nach Atem, obschon sein Mund nicht von dieser Rätselhaftigkeit bedeckt war. Lediglich Augen und Ohren wurden umhüllt. Ihm war es möglich zu atmen, doch er schnappte so panisch nach Luft wie ein Ertrinkender. Er tat einen tiefen Atemzug, stieß einen lauten, kehligen Schrei aus und hoffte nichts sehnlicher, als seine eigene Stimme hören zu können.
    Stille, wie damals zu seinen Teenager-Zeiten, als er übergroße Kopfhörer trug und zu faul zum Aufstehen war, um die Schallplatte umzudrehen. Leere. Er war verloren, in Schwärze lebendig begraben.
    Bill wagte es nicht, vorwärtszugehen. Stattdessen ließ er sich in die Hocke nieder und langte nach unten. Hier, die vertraute Struktur des Teppichs – er befand sich also immer noch im Wohnzimmer. Nylonfasern unter seinen Fingern. Er stellte sich den Raum vor, versuchte, den Platz festzulegen, an dem er sich befunden hatte, bevor das Licht ausging. Er griff nach vorn, um erneut Seyha, einen der Stühle, den Couchtisch oder überhaupt irgendetwas zu fassen zu bekommen. Da lag nichts vor ihm. Wenn er wenigstens Seyha erwischen würde, damit er ihre Hand auf den Teppich legen könnte, wie er es kurz zuvor getan hatte; um ihr zu zeigen, dass sie nicht so verloren waren, wie sie glauben musste.
    Sein Körper bebte vor Schluchzen. Gott, hilf mir. Hilf uns!
    Keine Geräusche. Kein Licht. Nichts als Berührung.
    In diesem Augenblick kehrte das Gelächter zurück; dieselbe auf finstere Weise amüsierte Stimme, die sie schon zuvor vernommen hatten. Sie durchschnitt die bedrückende Schwärze über seinen Ohren ... und sie klang sehr nah.
    Bill erstarrte.
    »Wenn du nur wüsstest«, flüsterte die Stimme. Ein weiteres Glucksen. »Aber du weißt gar nichts,
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