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Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis

Titel: Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis
Autoren: Daniel G. Keohane
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Segnung angedeihen lassen. Das letzte Bittgebet werden wir dann zum Abschluss im Wohnzimmer sprechen. Klingt das nach einem Plan?«
    Bill und Seyha nickten.
    Sie rückten in die Küche vor. Gem blieb auf der Couch, verfolgte aber ihre Bewegungen mit einer leichten Drehung des Kopfes. Joyce zwinkerte ihr durch die Öffnung in der Wand zu. Es gab ihr Hoffnung, als sie sah, wie das Mädchen errötete. Gem war also nicht so störrisch, wie sie es immer vorgab.
    »Gesegnet seist du, o Herr, König des Universums, denn du schenkst uns mit Speis’ und Trank Kraft für unser Leben. Lass uns dankbar sein für all deine Barmherzigkeiten und achtsam sein für die Bedürfnisse der Anderen; durch Jesus Christus. Amen.«
    »Amen.«
    »Amen ...«
    Die Stimme erklang deutlich und sie kam definitiv nicht von draußen. Die feinen Härchen in Joyces Nacken stellten sich auf. Sie sah hinüber zu Gem, doch das Mädchen hatte nichts gesagt. Joyce sah vor ihrem geistigen Auge das Bild von Linda Blair aus Der Exorzist. Die Stimme war männlich gewesen, und mit diesem einzigen gesprochenen Wort war ein erheiterter Ton mitgeschwungen.
    Nein , sagte sie sich selbst, du hast wieder die Jungs von draußen gehört. Nichts anderes. Doch es fühlte sich nach etwas Anderem an; das Gefühl wurde auch nicht dadurch verbessert, dass sich die Küche schlagartig verdunkelte. Das war bloß die Sonne, die sich hinter einer Wolke versteckte. Die Watts warteten schon. Sie hatten offensichtlich nichts gehört. Joyce atmete langsam aus, wodurch die Kerze in Seyhas Hand zu flackern begann.
    »Sind Sie in Ordnung?«, wollte Bill wissen.
    »Mir geht’s gut, ich war nur in Gedanken versunken. Wollen wir jetzt nach unten gehen?« Sie wandte sich zu Gem, für den Fall, dass sie sie begleiten wollte. Das Mädchen beobachtete sie mit einer gezwungen Gleichgültigkeit, als sie mit einer schnellen Bewegung den Kopf zum Haupteingang drehte.
    Etwas stimmte nicht.
    Auch das Wohnzimmer schien dunkler geworden zu sein.
    * * *
    Das ist doch verrückt. Warum bin ich immer noch hier? Gem zog die Beine noch enger an sich und starrte aus dem Fenster zu Eliot und seinem Freund hinüber, die unablässig den Football bearbeiteten. Bevor ihr Bruder den Ball wieder abspielte, warf er einen kurzen Blick zum Haus der Watts’. Sie hatte ihren Bruder, dem es normalerweise an Hingabe mangelte, noch nie bei irgendetwas so lange bei der Stange bleiben sehen. Er hatte beobachtet, wie sie ins Haus gegangen war und wartete nun darauf, dass sie wieder herauskam, um ihm alles über die Magische Welt der Watts zu berichten. Seine Würfe kamen langsam, gemächlich, und seine Fänge waren nicht immer von Erfolg gekrönt. Hoffentlich hatte er die Warterei bald satt und würde ins Haus zurückkehren.
    Joyce und ihre Begleitung befanden sich mittlerweile im großen Schlafzimmer. Das war ein Raum, den Gem durchaus nicht besichtigen wollte. Davon einmal abgesehen, verursachte ihr das Haus Gänsehaut. Sie hörte auch andauernd jemanden flüstern, einmal sogar direkt rechts neben ihr.
    Sie sollte jetzt gehen.
    Es war schlimm genug gewesen, mit Joyce wegen der Besichtigung hierherzukommen. Sie musste während der Zeremonie dableiben, und Mrs. Watts heuchelte nicht einmal, dass sie sie mochte. Die Frau hatte sogar angedeutet, sie wisse über Gems Besuche Bescheid ... nicht zum ersten Mal musste sie sich daran erinnern, dass dies nichts zur Sache tat. Das war vor Ewigkeiten, ehe der Lady das Haus überhaupt gehört hatte.
    Gem dachte über die Passage aus der Bibel nach, die Joyce vorgelesen hatte. Bizarr, auf jeden Fall. Sie standen alle in diesem Buch. Vergangenen Frühling hatte Gem tatsächlich versucht – zurückgezogen in einer Ecke der Schulbibliothek –, ein paar Kapitel daraus zu lesen. Es war reine Neugier gewesen; sie wollte lediglich wissen, warum Woche für Woche so viele Leute fortwährend, über Jahre hinweg, nach nebenan gekommen waren. Dabei wiederholten sich die Geschichten und waren reichlich zusammenhangslos. Vielleicht könnte ja Joyce ...
    Nein , dachte sie, sei nicht dumm . Die Frau war eine Pastorin und hatte ihre eigene ›Herde‹ zu betreuen. Joyce würde bestimmt keine Zeit für jemanden wie sie erübrigen. Gem ging nicht einmal zur Kirche.
    »Jemand wie du ...« Den Worten folgte ein leises, langgezogenes Kichern, »Jaaa ...«
    Gem biss sich auf die Lippen, um nicht zu schreien. Irgendjemand sprach zu ihr von irgendwo in diesem Raum. Kein Zweifel, es war dieselbe Stimme wie
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