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Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Titel: Pixity - Stadt der Unsichtbaren
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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ihm.
    Es war Dezember geworden. Sie hockten in ihren beiden kleinen Zimmerchen und zählten die Tage, während ringsum in aller Hektik Schaltungen programmiert wurden. Sie surften lustlos durch Stellenanzeigen. Alina trug schwarz, was den Augen wohltat und das Gemüt verfinsterte, sie räumte in den Schubladen ihres Schreibtisches, die nie leer wurden, Berge von Papieren und Essensresten, Schreibutensilien und leeren Bindenpackungen. Gorland bemühte sich um Doktorandenförderung und fürchtete sich vor einer Zukunft als Kunstlehrer. Selbst Weidenfeld und Sarkovy, denen das Wort   Karriere   doch ins Kleinhirn eingebrannt schien, malträtierten lustlos ihre Drehsessel und grübelten.
    Etwas in Bentner wuchs und wuchs. Er sah Bilder, sehr vage Bilder, er starrte stundenlang auf den Monitor mit dem geöffneten Skriptfenster, das auf die magischen Zeichen wartete.
    »Ey, Jungs, scheiß drauf«, sagte Alina, »wir machen eine Weihnachtsfeier!« Allgemeine Begeisterung. »So, so«, murmelte Gorland und widmete sich wieder seinen Formularen. »Ach«, sagte Weidenfeld euphorisch, »und engagieren wir auch einen Studenten als Nikolaus? Super.« Ein Blick, der impotent machen konnte, brachte ihn zum Schweigen. »Ich bin dabei«, sagte Sarkovy, »is auch egal, womit man die Zeit totschlägt. Und du, Nils?«
    Bentner fixierte noch immer das jungfräuliche Skriptfenster. Sagte dann: »Ok.«
    Sie hatten ihre Weihnachtsfeier. Spekulatius, Lebkuchen mit Schokoladenüberzug, Sandkuchen und Glühwein, obwohl Alkohol während der Arbeitszeit ein Kündigungsgrund war. Aber sie arbeiteten nicht. Sie erhitzten Glühwein im Wasserkocher, versuchten sich an Witzen und scheiterten daran, sie wurden sentimental und schwelgten in Erinnerungen an das vergangene Jahr. Sie wurden wütend und wünschten alle zum Teufel, die Idioten hier, die Idioten dort, überhaupt alle Idioten.
    Und dann sagte Bentner ein Wort. Er wusste nicht, woher es gekommen war, er wusste nicht einmal, dass er es aussprach, in das Schweigen hinein, die Geräusche aus Spekulatiusknabbern und Glühweinschlürfen. Es war einfach da, dieses Wort.
    »Pixity.«
    Sie guckten ihn an. »Was?« »Pigs? Ja, pigs sind die.« Nur Alina kapierte. »Erzähl, Nils.«
    Und Bentner erzählte ihnen von Pixity, der Stadt aus lauter Pixeln, die in seinem Kopf durcheinanderwirbelten und sich allmählich zu Häusern und Straßen zusammensetzten, zu einem Park, einer Schule, einer Diskothek, einem gewaltigen Gästeturm, in dem jeder sein eigenes Zimmer haben würde. Es war eine Stadt, in der sich jeder frei bewegen konnte. Du stehst morgens auf und gehst in die Schule, du hast einen Namen, du bist eine lustige kleine Zeichentrickfigur, die laufen und lachen, ernst gucken und reden kann, du gehst also in die Schule und machst Mathe, und wenn du nicht mehr weiter weißt, dann helfen dir die anderen lustigen kleinen Zeichentrickfiguren oder du gehst in die Bibliothek und recherchierst oder du triffst Monika und schäkerst mit ihr oder du …
    »Halt, halt!«, bremste Weidenfeld. »Wenn ich dich richtig ver­stehe, willst du eine multimediale Stadt, eine Mischung aus Lernen und Spielen, Chatten und … Chatten?«
    Bentner nickte. Das schwebte ihm vor. Ein riesiger Chat- und Lehrraum, eine Stadt eben.
    Sie schwiegen und sie dachten nach. »Wie lange brauchen wir dafür?«, fragte Alina und Bentner zuckte nur mit den Schultern.
    »Vielleicht ein Jahr für den Prototyp? Keine Ahnung. Ja, doch, ein Jahr vielleicht.«
    »Förderknete«, sagte Weidenfeld. »Wenn wir uns jetzt alle auf den Arsch setzen und ein geiles Konzept machen, haben wir frühestens in einem Jahr Kohle. Wie viel Geld habt ihr auf der hohen Kante?«
    Sie überschlugen es in ihren Köpfen. Es war nicht viel, aber es konnte reichen. Ein Jahr.
    Am nächsten Tag und den folgenden trafen sie sich in Alinas Wohnung, einem Altbau in der Innenstadt mit hohen Wänden und Heizkosten. Goldene Zeiten für den Pizza-Lieferservice.
    »Wie soll Pixity funktionieren?«, fragte Alina Nils, »ich meine … hm … was meine ich eigentlich?«
    »Pixity«, erklärte Bentner, »funktioniert wie jede andere Stadt auch. Du betrittst die Stadt und gehst zum Einwohnermeldeamt. Das ist die Anmeldeseite. Du gibst deine Daten ein, deine E-Mail, dein Alter, deine Hobbies, vielleicht auch ein Bild von dir. Dann wählst du dir eine Spielfigur. Sie sollte deinem Typ entsprechen. Willst du lieber ein braves Mädchen im Röckchen sein oder eine Rockerqueen in
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