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Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Titel: Pixity - Stadt der Unsichtbaren
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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gibt’s auch ein paar Bilder. Stell dich ans Fenster. Scheiß Sonnenreflexe. Mach mal das Fenster auf. So etwa? Bentner würde ihn niemals fragen.
    Wieder Schritte. Sie gingen am Nachbarzimmer vorbei, stockten. Noch ein Schritt. Kreppsohlen, bequeme Büroschuhe. Bentner fuhr den Rechner runter, schaltete ihn aus, das Geräusch der Lüftung erstarb, man hörte schweres Atmen vor der Tür. Sie hatte nicht den Fahrstuhl genommen, war zu Fuß in den vierten Stock gestiegen, jetzt verschnaufte sie, lauschte, was hinter der angelehnten Tür geschah. Bentner setzte sich auf und sagte halblaut:
    »Komm rein, Almuth.«

    Einen Moment lang hoffte er, nicht Almuth Neu trete ins Zimmer, sondern Anna. Ein kleines Mädchen mit einem unbekannten Gesicht, nicht in Bonbonfarben gekleidet, nein, das nicht, ein Mädchen im blauen Anorak, mit rötlichen Haaren, da waren wieder diese Bilder. Und dann? Was machst du dann, Bentner? Das genügte, die Bilder zu vertreiben. Die Tür wurde aufgestoßen und Almuth Neu machte einen Schritt ins Zimmer, warf sie, ohne sich umzudrehen, ins Schloss zurück, griff in die offene Handtasche und zog ein Messer hervor, hielt es sich wie einen Stachel vor den Bauch. Sagte:
    »Und hören Sie endlich mit dieser widerlichen Duzerei auf. Ich ekle mich schon lange davor, mit euch per du sein zu müssen.«
    Es wirkte beinahe komisch, wie Almuth Neu mit beiden Händen den Schaft des Messers gegen ihren Bauch drückte. Ein langes, spitzes Küchenmesser, ideal zum Zerkleinern von Gemüse und Fleisch. Einen Moment lang überlegte Bentner, mit welcher Pointe dieser Sketch enden könnte. Sollte er eine Möhre aus der Tasche ziehen und auf den Nachttisch legen? Würde sich Almuth darauf stürzen und die Möhre in dünne runde Scheibchen zerlegen? Lacher aus dem Off. Aber nein. Es war nicht komisch.
    »Warum haben Sie eben meinen Namen genannt? Woher wussten Sie das? Sie haben doch Anna erwartet.«
    »Sind Sie denn nicht Anna?«
    Noch während er die Frage stellte, dachte Bentner: Sie ist nicht Anna. Almuth Neu schüttelte den Kopf, ihre Lippen wurden dünn, vielleicht sollte das ein Lächeln sein.
    »Wie Sie meinen.«
    »Der Zettel«, sagte Bentner. »An meiner Autoscheibe. Die Schrift. Ich habe sie wiedererkannt, als ich das Sitzungsprotokoll gelesen habe. Sie schreiben alles in Steno, bis auf die Überschriften.«
    »Das Sitzungsprotokoll? Wozu haben Sie das Sitzungsprotokoll gelesen? Welches?«
    »Das letzte. Sie erinnern sich? Dieser kleine boshafte Dialog von Frau Marschall und Herrn Sarkovy. Zwei Wörter vor allem. Mädilein und grinsel. Seltsam, dass Ihnen das nicht selbst aufgefallen ist. Oder haben Sie nie mit goldenesBlut geschrieben?«
    Almuth Neu drückte den Messerschaft noch fester gegen die Bauchdecke.
    »Und? Verstehe ich jetzt nicht.«
    »Was glauben Sie, was ich nicht alles verstehe. goldenesBlut ist Sarkovy.«
    »Nein!« Sie stieß es mit Nachdruck hinaus. »Alle können es gewesen sein, nur Herr Sarkovy nicht. Er besitzt keinen privaten Computer. Er hat ja immer damit kokettiert, dass ihm so etwas nicht ins Haus kommt.«
    Bentner erinnerte sich schwach. Einer der vielen Running Gags, wenn Michael schwadronierte. Arbeite in einer IT-Firma, aber so ein Teufelszeug besitze er nicht.
    »Und es stimmt. Er hat keinen Computer.«
    »Sie haben natürlich nachgeschaut. Hatten ja sämtliche Schlüssel. War nicht schwer dranzukommen. Aber Sarkovy benutzt auch ein Zimmer im Erdgeschoss. Sein Arbeitszimmer. Und dort stand einmal ein Laptop.«
    »Stand?«
    Sie schaute ihn verwirrt an, löste das Messer von ihrem Bauch, nicht lange, drückte es gleich wieder dagegen.
    »Stand. Darf ich ein paar Bilder aus meiner Reisetasche holen?«
    Sie lehnte am Bett. Almuth erfasste sie mit einem Blick, nickte dann, sagte: »Ja.«
    Und sagte dann plötzlich »Nein. Bleiben Sie weg davon. Sie sind hier, also sind Sie das Schwein. Bewegen Sie sich nicht. Sie sind stärker als ich, aber ich schwöre Ihnen, das Messer hier stecke ich in Sie hinein.«
    »Wie Herrn Weidenfeld. Auch dem falschen.«
    Wieder lächelte Almuth oder versuchte es, nahm es sofort zurück, beobachtete Bentner.
    »Ihr habt es alle verdient. Alle.«
    Es gab nichts, was ihr der Mann auf dem Bett hätte entgegnen können. Er nahm die Hand von der Tasche, zog den Arm langsam hoch, legte die Hand neben sich aufs Bett. Sie war schweißnass geworden.
    »Sie war Ihre Nichte, ja? Bei Facebook gibt es eine Michaela und eine Jennifer Neu, die mit Layla-Anne befreundet
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