Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Titel: Pixity - Stadt der Unsichtbaren
Autoren: Dieter Paul Rudolph
Vom Netzwerk:
Heels.«
    »Lisa?«
    »Schon möglich. Die war gestern Abend noch hier und hat aufgeräumt. Ich glaube, Gorlands Nachfolger war der Glückliche, also glücklich auf jeden Fall.«
    Den Tequila brauchte man wirklich. So müsste es am Tag des jüngsten Gerichtes sein, eine dünnflüssige feurige Lava ergießt sich über die Erde und ätzt den ganzen Dreck einfach weg.

ALLES BEGINNT NOCH EINMAL
    Am frühen Abend des ersten Weihnachtstages war er auf der Couch eingeschlafen und am Morgen des zweiten erwacht. Es gab nicht genug Kaffee, der Müdigkeit Herr zu werden, und das war gut so. Er stapfte durch eine Wattewelt, strampelte sich durch einen Block aus gelierter Masse, hatte seine Ohren in große Muscheln gesteckt und dort verkeilt, hörte ein Rauschen, aber nicht das eines stürmischen, sondern das eines ruhigen, einschlafenden, erstarrenden Meeres. Es ging ihm gut. Er beließ es bei drei Tassen Kaffee.
    Keine Nachricht auf dem Anrufbeantworter (von wem? Lisa? Und warum? Eben.), keine Mails im Postfach, Pixity noch immer menschenleer, evakuiert, als gelte es, eine lange verborgene und nun aufgetauchte Bombe zu entschärfen. Bentner aktivierte das Login-Skript, legte sich auf die Couch, den Laptop mit den Oberschenkeln in der Balance haltend. Noch einmal lief Rick durch die Räume und Parks, über den toten Weihnachtsmarkt, zwischen den Stühlen und Tischen der Schwimmbäder. Dann betrat er den Lernbereich, den pädagogisch wertvollen Teil von Pixity, das Streberviertel mit seinen Klassenräumen für Mathematik und Deutsch, wo Jana einst Anna getroffen hatte. Eine Textaufgabe war es gewesen, aber Bentner erinnerte sich nicht mehr an die Einzelheiten.
    Jetzt stand Rick in einem Deutschraum, Satzlücken, bei denen man Fehlendes ergänzen musste. »Ich pf… nach meinem Hund und der ei… herbei, ein Stück Holz zw… den Zähnen. Ich w… das Holz w… weg und mein Hund r… bellend hin…«
    Merkwürdiger Satz. Rick verließ das Klassenzimmer, begab sich zurück in den Park, wo inzwischen andere Pixies herumliefen oder -standen, ein Junge von 16, ein Mädchen von 14, sie flüsterten, Bentner öffnete die Datenbank, um ihren Dialog mitzulesen. Ein harmloser Dialog aus wenigen Wörtern und Abkürzungen, sie hätten Deutschnachhilfe nötig gehabt, aber darum ging es nicht. Sie wohnten zu weit weg, sagten »sry« und »bled« dazu, würden sich nicht lange schreiben, das Ding hatte keine Zukunft.
    Bentner ließ sie allein, loggte sich aus, fiel beim Aufstehen zurück in Watte und Gelee. Er musste sich ein Zimmer im Meisterhof bestellen, ruhig und bestimmt vorgehen. Wie sollte er begründen, dass er ein Zimmer im 4. Stock wollte? Sagen, es sei ihm wegen der Aussicht empfohlen worden? Er habe selbst schon einmal dort übernachtet? Nein, Vorsicht, das konnte man nachprüfen. Er würde einfach sagen, es sei eine seiner Marotten, nur im 4. Stock zu übernachten, so wie andere partout den 13. Stock vorzogen oder mieden.
    Es klappte ohne Problem. Die Stadt gehörte nicht zu den Zielen, die man an hohen christlichen Feiertagen ansteuerte, um dort Urlaub zu machen. Ob er gleich kommen könne? Ja, er sei gerade auf einem Rastplatz, nicht weit vom Meisterhof. Eine Stunde höchstens.
    Mehr als eine Alibiunterhose, eine neue Zahnbürste, eine noch geschlossene Tube Zahnpasta packte er nicht in die Tasche. Den Laptop nicht vergessen. Die Fotos. Wenigstens einige davon ausdrucken. Es dauerte dann doch länger als eine Stunde.
    Der Rezeptionist bat um den Personalausweis, nahm ungerührt zur Kenntnis, dass jemand mit einer Adresse in dieser Stadt ein Hotelzimmer benötigte, bemerkte die kleine Tasche und verlangte höflich lächelnd Vorkasse. Natürlich.
    Der lange Flur, an dessen Ende das Fenster, Bentner schwankte, kniff die Augen zusammen, lief blind. 422, das letzte Zimmer. Er wollte es aufschließen, das Fenster zwei Meter zu seiner Rechten, Bentner trat heran, blickte hinunter. Legte die Stirn ans Glas, es war eiskalt, es kühlte nicht. Kippfenster. Bitte versuchen Sie nicht, das Fenster mit Gewalt zu öffnen.
    Er lehnte die Tür nur an, sah sich schnell und desinteressiert um, vergaß sofort, was er sah, ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl, ein Schrank, zwei Bilder an der Wand, nichtgegenständlich, aber dennoch Kitsch, links das Bad mit Waschbecken und Dusche, er brauchte nicht hineinzugehen, um zu wissen, was er sehen würde. Hübsch.
    Wie würde Anna erscheinen? Kostümiert wie ein Kanarienvogel? Nein, Unsinn. Niemand sagte ihm, dass
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher