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Piratenbraut

Piratenbraut

Titel: Piratenbraut
Autoren: Astrid Geisler
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er mich in die informationstechnologischen Schwierigkeiten bei der Aufnahme und Registrierung neuer Mitglieder ein. Schade, dass ich kein IT -Diplom habe – sonst hätte ich ihn vielleicht sogar verstanden. Aber bevor ich mich entscheiden kann, ob ich noch einmal nachfragen sollte, entschuldigt sich Simon Kowalewski auch schon, er müsse noch weiter, und verschwindet im Hinterzimmer.
    Ich schaue ihm staunend nach. Simon Kowalewski kann nicht ahnen, dass er mit seinem Small Talk gerade das Ansehen der Partei gerettet hat. Zumindest bei mir. Abend Nummer eins unter Piraten und schon mit jemandem aus der Landtagsfraktion gesprochen! Klar, ich habe schon tiefgründigere Gespräche geführt. Aber ich will auch nicht undankbar sein. Mit ein bisschen Glück werde ich hier demnächst mit dem Parteivorsitzenden Bernd Schlömer über die besten Bundestagskandidaten fachsimpeln.
    Auf dem Heimweg, kurz nach Mitternacht, erreicht mich eine Botschaft meines Sofanachbarn beim Stammtisch: »Heute viele interessierte Bürger im Kinski. Schön, zu sehen, dass Liquid Democracy das Ding ist, mit dem man sie immer wieder kriegt ...!«, twittert Jan Hemme. Ich lese den Tweet ein zweites und ein drittes Mal. Meint er das vielleicht ironisch? Ich tippe: »Man sieht sich 2013 im Bundestag.« Dann lösche ich den Satz wieder – und schalte das Smartphone aus.

3 »Vergiss den Mitgliedsausweis!«
    3 »Vergiss den Mitgliedsausweis!«
Wie mich die Crew Prometheus und ihr Kapitän freundlich aufnehmen und zum Mitmachen anstiften
    Es ist 20 Uhr, ein Donnerstag im Mai. Hier soll gleich das Crew-Treffen beginnen. Der zweite Termin in meinem neuen Leben als Piratin – oder Fast-Piratin. Denn Mitglied bin ich ja noch nicht. Ich würde schwören, mein Antrag liegt nach wie vor in diesem Ablagefach in der Parteizentrale, als wäre es egal, ob ich dabei bin oder nicht.
    Trotzdem bemühe ich mich, erwartungsfroh zu wirken. Dies wird schließlich meine erste Begegnung mit der Crew sein, und ich will einen guten Eindruck machen. Insgeheim allerdings frage ich mich: Wäre an einem so prächtigen Frühsommerabend nicht die Internet-Demokratie gefordert, von der die Piraten ja bekanntlich so begeistert sind?
    Der Ostwind hat die Hitze des Tages weggeblasen. Die Rasenflächen im Viertel verwandeln sich gerade in Picknickzonen. Ich hätte bei einer Freundin klingeln, mit ihr auf dem Balkon einen Weißwein trinken können. Stattdessen sitze ich zwei Häuser weiter in einer Pizzeria, die mir bislang nie aufgefallen war, obwohl ich regelmäßig auf dem Heimweg vorbeilaufe. Auf der Markise über dem Eingang verspricht das »Caminetto« nicht weniger als »... die beste Pizza Berlins«, was bei Regenwetter sicherlich Touristen nach drinnen in den dunklen Gastraum lockt. Als ich einen Kellner nach dem Piratentreff fragte, zeigte er jedoch auf ein noch dunkleres Zimmer links vor den Toiletten mit Che-Guevara-Tapete an den Wänden und Ausblick auf die Müllcontainer im Hof.
    Hier also trifft sich jeden Donnerstag eine der drei Ortsgruppen der Piratenpartei im Berliner Stadtteil Friedrichshain – die Crew »Prometheus«. Ein vergleichsweise seriöser Name. Manche der rund fünfzig Berliner Basisteams der Piratenpartei heißen wie die Kita ums Eck (»Bunte Kuh«, »Pippi Langstrumpf«). Der größere Teil trägt Namen, die nicht verhehlen, welchem Milieu sie entstammen. Unter den Namenspaten sind legendäre Informatiker wie der Erfinder des Computers, Konrad Zuse, oder der Entwickler der Programmiersprache C++, Bjarne Stroustrup, aber auch Science-Fiction-Raumschiffe – von der »Enterprise« aus der TV -Serie »Star Trek« über die »Defiant« aus der TV -Fortsetzung »Star Trek: Deep Space Nine« bis zu der mit einem unendlichen Unwahrscheinlichkeitsdrive angetriebenen »Herz aus Gold« aus dem satirischen Bestseller »Per Anhalter durch die Galaxis«. Die Piraten-Crew »Schrödingers Katze« wiederum hat sich nach einem Gedankenexperiment aus der Physik benannt, das die Unvollständigkeit der Quantenmechanik am Beispiel einer zugleich toten und lebendigen Katze demonstrieren sollte; und woher die Crew »Fnordy-Fornd Roughnecks« ihren nach eigenen Angaben »heiß diskutierten« Namen hat, verstehe ich auch nach der Lektüre der Crew-eigenen Erklärung nicht.
    Dann schon lieber eine griechische Sagengestalt wie Prometheus, den Wikipedia als »Freund und Kulturstifter der Menschheit« bezeichnet.
    Je mehr Piraten sich an diesem Abend zum Crew-Treffen im
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