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Piratenbraut

Piratenbraut

Titel: Piratenbraut
Autoren: Astrid Geisler
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im Internet nach dem perfekten Platz in der Partei suchte, je mehr virtuelle Möglichkeiten sich auftaten, desto mehr sehnte ich mich nach terrestrischem Anschluss. Schließlich besann ich mich auf den Rat des Piraten aus der Parteizentrale und sah mich nach einer Ortsgruppe in meiner Nachbarschaft um.
    Zugegeben, eine naheliegende Idee. Mein Ostberliner Viertel ist die reinste Piratenbucht. Zwar sind die Grünen bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus im Herbst 2011 mit 32 Prozent noch stärkste Partei geworden, aber die Piraten haben unglaubliche 26 Prozent der Zweitstimmen geholt – mehr als doppelt so viel wie die Linkspartei (11 Prozent) und sogar mehr als SPD (17 Prozent), CDU (4 Prozent) und FDP (0,8 Prozent) zusammen. Nirgendwo in der Hauptstadt leben mehr Piraten als im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. 555 Mitglieder hat die Partei hier. Die Landesverbände von Mecklenburg-Vorpommern oder dem Saarland sind kleiner.
    Kein Wunder also, dass ich bei meiner Suche nach Gleichgesinnten auch eine Ortsgruppe in nächster Nähe entdeckte. Mit dem Fahrrad wären es fünf Minuten zu ihrem wöchentlichen Treffpunkt. Das schien mir sehr bequem. Blieb nur noch die Frage, ob ich mich in dieser Crew Prometheus ähnlich verloren fühlen würde wie unlängst abends beim Stammtisch im »Kinski«.
    Versuchsweise schickte ich Denis, dem Kapitän, eine E-Mail: Ich möchte bei den Piraten mitmachen. Wäre ich in eurer Crew richtig? Noch am selben Abend erreichte mich seine Antwort:
    »An sich wärst du bei uns richtig«, bestätigte Denis. »In der Nähe findest du aber auch die Crew Serenity und die Bunte Kuh. Aber natürlich bist du auch jederzeit bei uns willkommen. Die Qual der Wahl im Friedrichshain. :-D«
    Nicht nur in diesem Punkt schienen wir einer Meinung. »Aus meiner Erfahrung heraus dauert es auch eine Weile, bis man Abläufe, Begriffe und Geschehnisse innerhalb der Piraten versteht«, versicherte Denis und schrieb weiter:
    »Freut mich, dass du dich politisch engagierst, und hoffe, wir können dir die Heimat bieten, die du erhoffst. Und wenn das nicht so ist, dann gibt dir das piratige Mandat jederzeit die Gelegenheit, etwas daran zu ändern.
    Mein erster erlernter Grundsatz. Das piratige Mandat bedeutet: Denke selbst. Handle selbst. Niemand wird dir hier sagen, was du tun sollst, du schlägst es selbst vor, suchst es dir selbst aus oder tust es selbst. Und wenn es gut ist, tust du es nicht alleine :)
    Also bis demnächst in der Crew.
    Beste Grüße«
    Eine freundliche Standardantwort an alle Interessenten? Am nächsten Morgen erwiderte ich launig:
    »Ich hab seit meiner Anmeldung als Mitglied noch gar keine Rückmeldung von der Geschäftsstelle bekommen. Kann ja kaum abwarten, beim Liquid Feedback mitzumachen! Hilft da nur abwarten & Club-Mate trinken? Oder kann ich das … getreu dem piratigen Mandat ›Denke selbst. Handle selbst‹ … irgendwie beschleunigen ;-)«
    Schon am Mittag meldete sich der Kapitän mit konkreten Vorschlägen zurück:
    »Ich würde dir empfehlen, auf die Mitgliedsbestätigung zu warten, dann den Jahresbeitrag zu überweisen (der Beitrag garantiert dir das Stimmrecht auf Parteitagen, ist von daher wichtig) und eine Mail an die Admins vom Liquid zu schicken.«
    Falls ich das Anmeldeprozedere nicht alleine machen wolle, helfe mir die Crew gerne. »Beschleunigungsmaßnahmen« seien ihm aber leider nicht bekannt. Smiley.
    »Bei Fragen keine Scheu. Ansonsten sehen wir uns dann demnächst im Caminetto. Grüßli«
    Ja, Grüßli!
    Denis hat inzwischen seinen Laptop auf den Holztisch gestellt und die Tagesordnung für das Treffen aufgerufen. Ich lese von der Seite mit: Soll die Tram 21 künftig durch die Sonntagstraße geführt werden oder erst in der Neuen Bahnhofstraße abbiegen? Wie stehen die Piraten zu kostenpflichtigen Anwohnerparkausweisen im Viertel? Wer ist bereit, einmal im Monat samstags hinter einem Infostand der Partei im Viertel zu stehen?
    Keine dieser Fragen hätte ich mit der Piratenpartei in Verbindung gebracht. Ich hätte auch nicht geglaubt, dass man Menschen mit solchen Themen an einem wunderbaren Abend wie diesem vom Sonnenbalkon weglockt.
    Im »Caminetto« steht gerade Punkt fünf der Tagesordnung zur Debatte, also die Frage, ob die Piraten ein Bürgerbüro in Friedrichshain eröffnen sollen. Ich stelle mir vor, Freunde hätten mir vor ein paar Jahren bei einer Pizza erzählt, gewisse Piraten – Gänsefüßchen-Geste – wollten demnächst ein erstes Bürgerbüro in unserer
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