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Pinien sind stumme Zeugen

Pinien sind stumme Zeugen

Titel: Pinien sind stumme Zeugen
Autoren: Will Berthold
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Rivale, verbirgt den stechenden Blick hinter einer Sonnenbrille. Pallottola, hochgewachsen, schlank, hat ein Gesicht, das trotz des wuchtigen Schädels merkwürdig gestreckt wirkt, und eng anliegende Ohren.
    »Nicht sehr erfreulich, Cari.« Der Don kommt gleich zur Sache. »Vincente, mein lieber Sohn, hat in New York einen ganz besonderen Einfall gehabt und einen FBI-Bullen nicht herkömmlich in einer Autopresse oder in einem Zementfaß unter dem Hudson abgeliefert, sondern von einem bezahlten Amateur überfahren lassen. Damit der Kerl nicht redet, mußte er im Gefängnis umgelegt werden. Die das besorgten, haben nicht dichtgehalten. Lello wird morgen nach New York fliegen und die Sache aus der Welt schaffen. Er wird auch Vincente beibringen, künftig solcherlei Idiotien zu unterlassen.«
    Aus seinen schläfrigen Augen betrachtete er die drei Teilnehmer der Konferenz; er kann sie nicht bluffen. Sie wissen, daß der betagte Padrino hellwach ist.
    »Jetzt schnüffeln die amerikanischen Bullen in Italien herum«, fährt er fort. »Einer heißt Ginty, der andere Plesco, verstärkt durch Cassidy aus Napoli und Gellert aus der Schweiz, und der Oberbulle heißt Steel und sitzt in der US-Botschaft. Sie haben Verdacht geschöpft, daß wir hinter der Lardo-Geschichte stehen – aber sie haben keinerlei Beweise.«
    »Dann nehmen wir mit den Burschen eben eine Lupara bianca vor«, versetzt Filippo.
    »Du wirst gar nichts unternehmen«, stoppt ihn der Don. »Wir halten uns eine Weile zurück, legen ein paar falsche Spuren und lassen die Bullen ins Leere laufen, bis Lello in New York die Situation im Griff hat. Wenn sie lange genug in Italien herumgeirrt sind – was bald der Fall sein wird –, läuft die Blüten-Welle in Eigenproduktion erst richtig an. Alles klar?«
    Die Teilnehmer der Geheimbesprechung stimmen ihm zu. »Wer ist eigentlich auf den Wahnsinn gekommen, Gina zweihunderttausend Dollar in Zürich umtauschen zu lassen?« fragt der Padrino dann.
    »Ich«, erwidert Filippo. »Es ist doch alles gut gegangen.«
    »Was meinst du dazu, Lello?« fragt der Don den Anwalt.
    »Ein absolut unnötiges Risiko«, stimmt ihm Vanoni zu.
    Pallottola betrachtet den Don.
    »Du hast künftig überhaupt nichts mehr mit dem Geldvertrieb zu tun«, rügt er Filippo. »In Europa besorgt das nur noch Lino, und drüben ist Lello zuständig, Capito?«
    Filippo wirkt wie ein Stier, der gleich mit geducktem Kopf auf das rote Tuch zurennen wird.
    »Du bist in Zukunft lediglich für die Absicherung nach außen zuständig«, entscheidet Ciccio Zampata. »Und zwar nach Absprache mit mir.«
    Pallottola betrachtet den Boss der Bosse abwägend, durchaus nicht sicher, daß nicht er selbst Ginas 200.000-Lardo-Coup befohlen hat. Er traut dem stupiden Filippo eine Eigenmächtigkeit dieses Ausmaßes einfach nicht zu, aber vielleicht wollte sich der Dummkopf nur profilieren. Filippo hat die Mafia-Doktrin schon mit der Muttermilch aufgenommen, während er viel später zum Clan gestoßen, dann aber rasch in eine Spitzenstellung aufgestiegen war. Natürlich weiß die ganze Familie, wie die Streithähne zueinander stehen, aber der Don schätzt es, die beiden Sottocapi gegeneinander auszuspielen und sie dadurch im Gleichgewicht zu halten. Im Gegensatz zu anderen Clans steht die Führungsrolle des Padrino bei den Lupinis außer Frage.
    Die Besprechung endet gegen 21 Uhr. Es ist bereits dunkel, als sich der lange Pallottola nach Rom zurückfahren läßt. In Velletri kennt er ein Feinschmeckerlokal. Er läßt den Chauffeur halten und lädt ihn zur Cena ein.
    Nach der Suppe geht er ans Telefon, um Gina anzuläuten.
    »Non risponde«, sagt das Mädchen vom Amt. »Keine Antwort.«
    Kein Grund zur Besorgnis. Ob die junge Frau mit den langen schlanken Beinen blonde oder schwarze Haare hat, spielt keine Rolle; sicher ist, daß sie es in jeder Farbe liebt, sich in Rom zu zeigen, elegant zu speisen, mondäne Nachtlokale aufzusuchen, zu tanzen, Männer anzumachen.
    Eine halbe Stunde vor Mitternacht trifft Pallottola in der Ewigen Stadt ein. Er läßt sich, von einer seltsamen Unruhe getrieben, in der Nähe von Ginas Wohnung absetzen, schlendert darauf zu.
    Schon von weitem sieht er das Polizeiauto, umstanden von nächtlichen Gaffern.
    »Sie ist umgebracht worden«, sagt ein alter Mann ungefragt zu dem Hochgewachsenen. »Eine so schöne Frau – ein Jammer.«
    In diesem Moment wird der Blechsarg, der die sterbliche Hülle von Gina Vanoni enthält, aus dem Haus getragen und
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