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Pinguine lieben nur einmal

Pinguine lieben nur einmal

Titel: Pinguine lieben nur einmal
Autoren: Kyra Groh
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und frustrierend, wenn es weder das eigene Stöhnen noch die eigene Musik ist.
    »Sei nicht so albern!«
    »Pssst, das ist total spannend.«
    »Was hörst du denn, verdammt?«, zische ich und verfehle den geplanten Flüstertonfall um mehrere Dezibel. »Das ist nicht fair!«
    Ich ziehe weiter an Cems Pullover und erkämpfe schließlich einen Platz für mein Ohr an der Tür. Was wir hier machen, ist absolut nicht in Ordnung, dessen bin ich mir bewusst, aber Neugierde und moralische Korrektheit haben wirklich nur eine kleine Schnittmenge.
    »Ich hör gar nix«, beschwere ich mich. Da ist nichts. Hinter dieser Tür findet kein Leben statt. Zumindest nicht so eines, wie Cem und ich oder Steffi oder Kai es führen. Kein lateinisches Gemurmel, kein Kulikratzen, keine Lust, keine Musik, nicht mal Stimmen.
    Cem fängt doll an zu lachen. Er hat mich reingelegt, der gemeine Saftdieb! Trotzdem drücke ich noch mal das Ohr an die Tür, presse es fest dagegen. Vielleicht ist ja doch Leben in der Bude? Die schweren Einkaufstaschen schneiden mir in die Handfläche, als ich mich nach vorne lehne, um ja kein Geräusch zu verpassen.
    »Komm weiter, Feli, ich hab dich bloß verarscht. Da tut sich kein Mucks.«
    »Doch, warte!« Wir sind unkollegial und lauschen an fremden Türen. Wir sind böse!
    Ich höre Füße. »Da ist doch jemand!« Ich kralle mich an den Einkäufen fest.
    Erst ein Ruck, dann ein Knarren, ein entsetzlicher Schlag und eine schmerzhafte Bruchlandung mit dem Gesicht vorweg. Überall umherkullernde Äpfel, Nudelverpackungen und auch ein paar kaputte Eier.
    Ich rappele mich auf die Knie auf, rücke meine Brille gerade und mache mich daran, ohgottohmeingottmurmelnd und tutmirleidsosehrleidentschuldigend meine Tüten wieder zu bepacken. Ich zaubere sogar Tempos aus der Tasche und wische über die Eiermatschepatsche, was natürlich rein gar nichts bringt. Ich möchte nicht aufschauen, weil ich dann den Mieter dieser Wohnung ansehen muss, der vor mir steht und mich bestimmt nicht nur für sehr unfreundlich und unverschämt, sondern auch noch für den verdammten Obertrottel hält.
    Fettnapf, ich komme! Ja, Fett napf. Die Verniedlichungsform ist an dieser Stelle nämlich so was von unangebracht! An mir gibt es im Allgemeinen wenig zu verniedlichen. Aber dieses Verhalten… ich möchte sterben. Von mir aus auch grausam. Hauptsache, mir bleibt die Peinlichkeit erspart, das Gesicht, das zu diesen Adidas-Schuhen gehört, ansehen zu müssen.
    »Feli«, zischt Cem plötzlich mit ernster Stimme, »jetzt steh schon auf!«
    Mühsam rappele ich mich hoch und gucke beschämt an mir herunter. Ich habe in einem explodierten Joghurtbecher gekniet. Oh mein Gott. Eier, Joghurt und etwas Undefinierbares geben sich auf dem Parkettboden ein matschiges Stelldichein.
    »Das tut mir sooo leid! Wirklich!« Nie im Leben war mir etwas so peinlich. Endlich traue ich mich, mein Gegenüber anzusehen. Er starrt ungläubig vor sich hin und sieht ziemlich gut dabei aus. Der große, dunkelhaarige Besitzer der Adidas-Schuhe sieht blöderweise alles in allem ziemlich gut aus. Ist schon klar, dass man sich immer nur vor den hübschen Männern blamiert.
    »Ich weiß auch nicht, wie das passieren konnte. Wir haben hier geredet, und ich hab mich gegen die Tür gelehnt und da…«, blablabla, lüglüglüg. »Ich helfe dir natürlich, alles sauber zu machen.«
    »Danke. Ist nicht nötig.«
    Die Stimme irritiert mich. Ein Bariton. Sehr weich. Und sehr genervt. Fast aggressiv.
    »Doch, doch. Ich kann ja sehen, was ich angerichtet habe.«
    »Ich weiß. Nur weil ich es nicht sehe, heißt das nicht, dass ich es nicht alleine sauber machen kann.«
    Die Tür knallt vor meiner Nase zu.
    Ich gucke Cem an. Cem guckt zurück.
    »Oh nein«, sage ich flüsternd.
    »Oh doch«, murmelt Cem, legt mir einen Arm um die Schultern und geht mit mir die Treppe hoch.
    MIR IST WENIG PEINLICH
    Das ist einfach so. Manchmal glaube ich, mein Organismus funktioniert nach folgender Grundeinstellung: warum wertvolle Lebensenergie mit dem Ausschütten von Peinlichkeitsenzymen verschwenden? Mein Stoffwechsel bevorzugt es sowieso, Energie einzulagern, statt sie in etwas Nützliches umzusetzen.
    Es wäre viel zu mühselig, sämtliche peinlichen Dinge aufzuzählen, die mir im Laufe meines Lebens so passiert sind. Ich kann recht gut über mich selbst lachen, deshalb habe ich all diese Aktionen auch ganz gut überstanden, ohne mir so etwas wie Schamgefühl oder eine niedrige Peinlichkeitsschwelle
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