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Pinguine lieben nur einmal

Pinguine lieben nur einmal

Titel: Pinguine lieben nur einmal
Autoren: Kyra Groh
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SAGEN
    Ich traue mich nicht. Ich mache gleich unter mich. Das doofe Brotrezept habe ich zwar gefunden, aber ich hätte dafür Maismehl kaufen gehen müssen, und heute ist Montag. An Montagen gehe ich nun mal nicht einkaufen. Also habe ich einen Kuchen gebacken, der leider nicht verhindern kann, dass ich mich lächerlich und überfordert fühle, als ich gemeinsam mit Cem vor der verschlossenen Wohnungstür im Erdgeschoss stehe. Cem wollte eigentlich, dass wir erst später vorbeischauen, weil es rein theoretisch sein könnte, dass wir spontan zum Mitessen reingebeten würden. Diese Einladung könnte er natürlich nur nach Einbruch der Dunkelheit annehmen.
    Ich dagegen glaube, dass wir ganz bestimmt nicht spontan auf ein Stückchen einladen werden, deshalb ist es auch nicht nötig, den Schokokuchen zu einer ramadanfreundlichen Uhrzeit vorbeizubringen.
    Cem ist also mies gelaunt, als wir mit meinem gutduftenden Backwerk vor der unteren Wohnung stehen.
    Ich habe Cem mit Gesten geboten, absolut still zu sein, weil ich verhindern will, dass der Bewohner sich wie am Samstag von uns belästigt fühlt und die Tür öffnet, obwohl ich noch nicht dazu bereit bin. Einen Moment fürchte ich sogar, er könnte meinen nervösen, schnellen Atem hören.
    Entschuldigung zu sagen ist etwas, das mir schon immer extrem schwergefallen ist. Aber noch nienienie war es so schlimm, denn noch nie war die Ausgangssituation so unglücklich.
    Als ich allen Ernstes darüber nachdenke, heimlich in unsere WG zurückzuschleichen und den Kuchen bei Mondschein mit Cem alleine zu verdrücken, kommt jemand zur Haustür herein und macht diese Option zunichte. Gut für meine Figur, schlecht für meine nervöse Blase.
    »Hallo«, grüßt der Neuankömmling, zückt einen Schlüssel und steckt ihn in die Tür, vor der wir seit drei Minuten darauf warten, dass ich den Mut aufbringe, die Klingel zu drücken.
    »Hallo«, erwidern Cem und ich mechanisch.
    »Kann ich euch helfen?«
    Ja, wir müssen sehr hilfsbedürftig aussehen, wie wir hier schweigend mit einem Schokokuchen vor einer verschlossenen Wohnung stehen.
    »Wir haben gesehen, dass hier neue Nachbarn eingezogen sind«, kokettiert Cem. Wenn er jetzt zu flirten beginnt, gehe ich an die Decke! »Da dachten wir, wir heißen sie willkommen!«
    Wir? Mir kam es so vor, als hätte ich heute eine Stunde lang Kuchen gebacken und mit Schokolade bepinselt.
    »Wahnsinn«, findet der Fremde. Sein Grinsen ist sehr zahnweiß und jungenhaft. »Simon. Hi!«
    Morgens Aronal, abends Elmex.
    »Cem«, sagt Cem.
    »Feli«, sagt Feli, also ich.
    »Find ich echt cool, dass sich hier mal jemand von den Nachbarn blicken lässt.«
    »Ja, gehört doch dazu, oder?«, schmachtet Cem.
    Stirb, Cem, stirb!
    »Wohnt ihr hier zu zweit?«, traue ich mich zu fragen.
    »Nein«, zahncremt Simon, »ich bin nur zu Besuch. Ich bin… ein guter Freund.«
    Ich nicke. Sein Zögern nach »ich bin « entgeht mir nicht.
    Simon dreht den Schlüssel im Schloss herum und stößt die Tür auf.
    »Hey, Mann, Besuch für dich«, ruft er mit einer merkwürdigen Selbstverständlichkeit durch die Wohnung.
    »Besuch?«, antwortet eine sanfte Baritonstimme, die ich bereits kenne.
    Als sich Schritte nähern, gucke ich an Simon vorbei in die Wohnung. Sie ist sehr leer. Fast steril. Anders als bei uns gibt es hier keinen Flur, der in Küche, Bad und zwei Zimmer mündet, sondern man befindet sich gleich in einer großen Wohnküche. Darin gibt es eine kleine Küchenzeile, auf der alles an seinem rechtmäßigen Platz zu stehen scheint, eine fluffig aussehende weiße Couch, einen Fernseher, einen CD -Spieler und einen Tisch mit zwei Stühlen. Mehr nicht. Keine Farbe, keine Deko, kein Schnickschnack. Keine verkleideten Skelette. Keine indirekte Tine-Wittler-Beleuchtung. Aber auch kein bisschen Unordnung.
    Dann sind die Schritte angekommen, und das Herz rutscht mir vor Scham in meine Socken.
    »Ähm, hallo«, mäuschenpiepse ich. Es ist an der Zeit, mich zu erkennen zu geben. »Wir haben uns am Samstag schon mal ge …getroffen.« Oh Gott, fast hätte ich gesehen gesagt. »Ich bin… also, ich bin in deine Wohnung gefallen.« Ich gebe ein hohles Hühnerkichern von mir und hoffe auf eine Reaktion.
    Es kommt aber keine Reaktion. Die Augen starren über mich hinweg auf einen Punkt an der Wand, den sie nicht erkennen können, das Gesicht bleibt ausdruckslos. Schon am Samstag, als ich zu seinen Füßen in den Überresten meines Einkaufes lag, war mir aufgefallen, dass er ganz
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