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Pilger Des Hasses

Pilger Des Hasses

Titel: Pilger Des Hasses
Autoren: Ellis Peters
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spüre heute noch die Kälte, die wie ein Messer durch Haut und Knochen schnitt...«
    Auch Cadfael würde diese Winterreise nie vergessen. Seit dem Angriff auf Worcester waren knapp anderthalb Jahre vergangen. Bruder und Schwester waren gen Norden nach Shrewsbury geflohen, durch den schlimmsten Winter seit vielen Jahren. Laurence d'Angers war damals nur ein Name wie viele andere gewesen, und nun tauchte er wieder auf. Als Gefolgsmann der Kaiserin Maud war es ihm nicht gestattet worden, König Stephens Herrschaftsgebiet zu betreten, um nach seinen jungen Verwandten zu suchen, aber er hatte insgeheim einen Knappen geschickt, der sie suchen und holen sollte. Cadfael würde nie vergessen, wie er diesen dreien zur Flucht verholfen hatte. Er sah sie deutlich vor seinem inneren Auge: Der Junge Yves, der damals dreizehn Jahre alt war, scharfsinnig, galant und tapfer und jeder Gefahr mit trotzig vorgeschobenem normannischen Kinn begegnend, seine ältere Schwester Ermina, deren Weiblichkeit gerade erblühte, und die entschlossen die Konsequenzen ihrer Torheiten auf sich nahm.
    Und der dritte...
    »Ich habe mich oft gefragt«, grübelte Hugh, »wie es ihnen danach ergangen ist. Ich wußte, daß Ihr sie in Sicherheit bringen würdet, wenn ich es Euch überließ, aber sie hatten noch einen gefährlichen Weg vor sich. Ich fragte mich, ob wir noch einmal von ihnen hören würden. Eines Tages, dachte ich, würde die Welt von Yves Hugonin hören.« Beim Gedanken an den Jungen lächelte er liebevoll und belustigt. »Und der dunkle Bursche, der sie holen kam, der gekleidet war wie ein Wäldler und kämpfte wie ein Ritter... ich glaube, Ihr wußtet mehr über ihn, als ich je erfuhr.«
    Cadfael betrachtete lächelnd die glühenden Kohlen. Er stritt es nicht ab. »Also gehört sein Herr zum Gefolge der Kaiserin. Und der Ritter, der getötet wurde, stand in den Diensten von d'Angers? Das war eine üble Sache, Hugh.«
    »Das denkt auch Abt Radulfus«, sagte Hugh düster.
    »Im Schütze der Dunkelheit - und alle spurlos entkommen, sogar der Mann, der das Messer benutzt hat. Eine üble Sache, denn das war gewiß kein Zufall. Der Schreiber Christian entkam ihnen, doch einer von ihnen wandte sich gegen den Retter, bevor er floh. Es spricht für großen Haß, so etwas noch im letzten Moment vor der Flucht zu tun, nachdem der Plan vereitelt ist. Blieb es denn dabei? Gibt es denn in Winchester keine Leute, die für das Gesetz eintreten?«
    »Nun, einige Bürger wären sicher erfreut gewesen, wenn der kühne Schreiber ebenso wie der Ritter in der Gosse verblutet wäre. Einige mögen sogar gegen ihn zur Jagd geblasen haben.«
    »Wie gut für die Kaiserin«, erwiderte Cadfael, »daß wenigstens einer ihrer Männer aufrecht genug war, einen offen auftretenden Gegner zu respektieren und ihm im Tode beizustehen. Es wäre eine Schande, wenn dieser Mord ungesühnt bliebe.«
    »Alter Freund«, sagte Hugh traurig, indem er sich erhob, um sich zu verabschieden, »England hatte in den letzten Jahren viele solcher Schandtaten zu schlucken. Es wird zur Gewohnheit zu seufzen, die Achsel zu zucken und zu vergessen. Ich weiß natürlich, daß Euch das sehr schwerfällt.
    Ich habe mehr als einmal gesehen, wie Ihr alle Sitten über den Haufen geworfen habt, und ich habe mich sehr darüber gefreut.
    Aber nicht einmal Ihr könnt jetzt, abgesehen von den Gebeten für seine Seele, noch etwas für Rainald Bossard tun. Es ist ein weiter Weg nach Winchester.«
    »So weit ist es gar nicht«, sagte Cadfael mehr zu sich selbst als zu seinem Freund, »und um viele Meilen näher als noch vor einer Stunde.«
    Er ging zum Vespergottesdienst und nahm im Refektorium das Abendbrot ein. Dann mußte er zur Schriftlesung und zur Komplet, und die ganze Zeit hatte er ein Gesicht vor dem inneren Auge, so daß er kaum auf die Lesung achtete und Mühe hatte, sich auf das Gebet zu konzentrieren. Und doch sprach er die ganze Zeit eine Art Gebet, voller Dankbarkeit, Lob und Demut.
    Ein so freundliches, junges, dunkles und lebendiges Gesicht - verblüffend schön, als er es zum erstenmal über die Schulter des Mädchens gesehen hatte: das Gesicht des jungen Knappen, der geschickt worden war, um die Hugonin-Kinder zu ihrem Onkel und Vormund zu bringen. Ein ovales, zurückhaltendes Gesicht mit hoher Stirn, fein geschwungener Nase und einem anmutigen Mund, mit den feurigen, furchtlosen Goldaugen eines Falken. Ein Kopf, der von dichtem blauschwarzen Haar bedeckt war, das sich an den Schläfen frech
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