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Pilger Des Hasses

Pilger Des Hasses

Titel: Pilger Des Hasses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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und würde wahrscheinlich mit Ablegern beladen heimkehren. Er bewunderte die Sauberkeit und Ordnung in Cadfaels Werkstatt, die raschelnden Büschel getrockneter Kräuter, die an den Deckenbalken und unter der Traufe hingen, und die Sammlung von Flaschen, Krügen und Kannen auf den Regalen. Er hatte einige Hinweise und Ratschläge zu geben, und sie verbrachten einen glücklichen Nachmittag in freundschaftlichem Wettstreit. Als sie vor der Vesper zum großen Hof zurückkehrten, betraten sie eine lebhafte Szenerie, als hätte das Getümmel der Feier schon begonnen. Pferde wurden in die Stallungen geführt, Bündel wurden ins Gästehaus getragen. Ein beleibter älterer Mann, der wie ein Reiter gekleidet war, schritt, von einem Diener gefolgt, rasch zur Kirche hinüber, um direkt nach seiner Ankunft seine Aufwartung zu machen.
    Die jüngsten von Bruder Pauls Schutzbefohlenen umringten neugierig und mit aufgerissenen Augen das Torhaus und begafften die Neuankömmlinge, bis Bruder Jerome, der wie immer emsig mit den Aufträgen des Priors beschäftigt war, sie fortscheuchte. Doch die Jungen entfernten sich nicht sehr weit, und kaum war Jerome außer Sicht, da waren sie wieder zur Stelle. Einige Bewohner der Vorstadt hatten sich auf der Straße versammelt, um zuzusehen, und zwischen ihren Beinen tollten Hunde aufgeregt herum.
    »Morgen«, sagte Cadfael, der die Szene betrachtete, »werden es noch viel mehr sein. Das hier ist erst der Anfang. Wenn sich das Wetter hält, wird es ein sehr schönes Fest zu Ehren unserer Heiligen.«
    Und sie wird verstehen, daß es zu ihren Ehren abgehalten wird, dachte er bei sich, obwohl sie so weit entfernt ist. Und wer weiß, ob sie uns nicht in ihrer Herzensgüte doch einen Besuch abstattet? Was ist Entfernung schon für eine Heilige, die im Nu überall sein kann, wo sie sein will?
    Das Gästehaus füllte sich am nächsten Tag weiter. Ständig kamen neue Pilger, einige allein, andere in Gruppen, die sich auf der Straße zusammengefunden hatten, einige zu Fuß, einige auf Ponys, einige in bester Ferienstimmung, einige, die nur wenige Meilen gereist waren, und einige, die aus großer Entfernung kamen. Und unter ihnen waren viele, die auf Krücken gingen oder von besser sehenden Freunden geführt wurden; manche hatten schlimme Verwachsungen oder Hautkrankheiten oder waren hinfällig; und alle hofften auf Linderung.
    Cadfael ging seinen Alltagspflichten nach und teilte seine Zeit zwischen Kirche und Herbarium, doch er warf, wann immer er den großen Hof durchquerte, auf dem es jetzt förmlich wimmelte, ein interessiertes Auge auf alles, was es da zu sehen gab. Jeder Ankömmling, jedes Gesicht erregte seine Aufmerksamkeit, aber er wußte zu keinem einen Namen und erkannte niemand. Wer seine lindernden Dienste brauchte, würde zu ihm gewiesen werden, und auch wer zufällig seinen Weg kreuzte, genoß seine ungeteilte Aufmerksamkeit.
    Als erstes fiel ihm die Frau auf, die mit einem Korb unter dem Arm vom Tor über den Hof zum Gästehaus eilte. Sie kam, es war kurz nach der Prim, mit frischem Brot und kleinen Kuchen vom Markt aus der Vorstadt. Eine umsichtige Hausfrau, die sogar an einem Feiertag früh zum Markt ging und besorgte, was sie brauchte; anscheinend vertraute sie nicht darauf, daß die Bäckerei der Abtei ihr liefern konnte, was sie haben wollte.
    Sie war eine kräftige, selbstbewußte Frau, etwa fünfzig Jahre alt, aber in voller, rosiger Blüte stehend. Ihr Kleid war schlicht und schmucklos, aber aus gutem Tuch gewirkt und saubergehalten, und unter dem braunen Kopftuch leuchtete ihre weiße Haube. Sie war nicht groß, hielt sich aber so aufrecht, daß sie größer wirkte, und ihr Gesicht war jung, großäugig und flächig und hatte ein energisches Kinn.
    Sie verschwand eilig im Gästehaus; er hatte sie nur einen kurzen Moment lang gesehen, aber sie hatte ihm genug Eindruck gemacht, um ihn den Morgen über durch Gottesdienst und Andachten zu begleiten, und als die Gläubigen nach der Messe die Kirche verließen, sah er sie wieder. Sie hatte die Arme ausgebreitet wie eine Henne, die ihre Vögelchen vor sich herscheuchte; die beiden Küken verschwanden fast hinter ihrer Leibesfülle und den weiten Röcken. Sie vermittelte ganz allgemein einen Eindruck von Weitläufigkeit; ihr Kopfputz war gewiß höher und breiter als nötig, die Hüften waren von Unterröcken gebauscht, und die Aura von Geschäftigkeit und Befehlsgewalt, die sie verbreitete, wirkte ebenso ausschweifend und überschwenglich.

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