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Physiologie der Ehe (German Edition)

Physiologie der Ehe (German Edition)

Titel: Physiologie der Ehe (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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des Drittels der französischen Bevölkerung eine Summe von ungefähr drei Milliarden beitragen;
    daß die anständige Frau nicht nur den Kindern des Vaterlands, sondern auch dessen Kapitalien das Leben schenkt;
    daß unsere gewerblichen Unternehmungen ihr Gedeihen nur diesem Umlauf verdanken;
    daß die anständige Frau im wahren Sinne des Worts am Budget beteiligt und Konsumentin ist;
    daß die geringste Baisse in der allgemeinen Liebe unberechenbares Unglück für den Fiskus und die Rentner nach sich ziehen würde;
    daß mindestens der dritte Teil des Einkommens eines Ehemanns hypothekarisch auf die Unbeständigkeit seiner Frau sichergestellt ist – usw.
    Ich weiß wohl, Sie öffnen bereits den Mund, um mir einen Vortrag über Sitten, über Politik, über Gut und Böse zu halten ... Aber mein werter Minotaurisierter, ist nicht das Glück das Ziel, wonach alle gesellschaftlichen Einrichtungen streben müssen? Ist nicht dieser Grundsatz schuld daran, daß die armen Könige sich mit ihren Völkern so viele Mühe machen? Nun, die anständige Frau hat allerdings nicht wie jene Throne, Gendarmen, Gerichtshöfe – sie hat nur ein Bett darzubieten. Aber wenn unsere vierhunderttausend Frauen mit Hilfe dieser sinnreichen Maschine eine Million Junggesellen glücklich machen und obendrein noch ihre vierhunderttausend Ehemänner – erreichen sie dadurch nicht auf eine geheimnisvolle Weise und ohne jedes Aufsehen dasselbe Ziel, das jede Regierung im Auge hat: nämlich der großen Menge eine möglichst große Summe von Glück zu geben?
    »Ja, aber die Verdrießlichkeiten, die Kinder, all das Unglück ...«
    Ach, erlauben Sie mir nur, auf das tröstende Wort hinzuweisen, das einer unserer geistvollsten Karikaturenzeichner unter einen seiner bittern Angriffe schrieb: ›Der Mensch ist nicht vollkommen!‹ Damit sie vollkommen seien, genügt es also, wenn bei unsern Einrichtungen die Unzuträglichkeiten nicht größer sind als die Vorteile; denn vom sozialen Standpunkt aus betrachtet, befindet das Menschengeschlecht sich nicht zwischen dem Guten und dem Schlimmen, sondern zwischen dem Schlimmen und dem Schlimmeren. Wenn nun unser jetzt vollendetes Buch sich das Ziel gesetzt hat, die schlimmste aller Eheeinrichtungen etwas weniger schlimm zu machen, indem es die Irrtümer und Widersprüche enthüllt, an denen unsere Sitten und unsere Vorurteile schuld sind – so wird dies gewiß einer der schönsten Ruhmestitel sein, die ein Mensch vorweisen kann, um unter die ›Wohltäter der Menschheit‹ gerechnet zu werden. Der Verfasser hat ja versucht, indem er den Ehemännern Waffen gab, dadurch die Frauen zu größerer Zurückhaltung zu bewegen – oder was dasselbe sagen will, die Leidenschaften heftiger zu machen, dem Fiskus mehr Geld, dem Handel und Ackerbau mehr Leben zuzuführen! Dank dieser letzten Betrachtung darf er sich schmeicheln, das Gelübde des Eklektizismus, womit er an dieses Buch herantrat, vollkommen erfüllt zu haben; er hofft wie ein Generalstaatsanwalt, alle für den Prozeß in Betracht kommenden Fragen klargelegt zu haben, ohne aber Schlußfolgerungen zu ziehen. Welchen Zweck hätte es denn auch für Sie, hier ein Axiom zu finden? Tronchet war gegen Ende seines Lebens der Meinung, die Gesetzgebung habe bei der Ehe viel weniger Rücksicht auf die Gatten als auf die Kinder genommen. Wünschen Sie in diesem Buch eine Verteidigung dieser Meinung zu sehen? Mir ist es recht. Oder wäre es Ihnen lieber, dieses Buch wäre eine Art Beweis für die Predigt jenes Kapuziners, der vor Anna von Osterreich predigte; als er sah, daß die Königin und ihre Damen über seine allzu siegreichen Beweisgründe ihrer Schwachheit sehr aufgebracht waren, sagte er zu ihnen beim Herabsteigen von der Kanzel der Wahrheit: ›Aber Sie alle sind anständige Frauen, und nur wir Männer sind leider Söhne von Samariterinnen.‹ Auch dies ist mir recht. Es sei Ihnen erlaubt, jede Ihnen beliebige Schlußfolgerung aus meinem Buche zu ziehen; denn nach meiner Meinung ist es kaum möglich, daß zwei einander widersprechende Ideen über diesen Gegenstand trotz allen Widersprüchen nicht dennoch beide dieses oder jenes Richtige enthalten. Aber dies Buch ist nicht für oder gegen die Ehe geschrieben; es sollte Ihnen nur eine möglichst genaue Beschreibung derselben liefern. Wenn wir durch die Untersuchung der Maschine dahin gelangen können, einen ihrer Räderteile zu vervollkommnen, wenn wir durch die Reinigung eines verrosteten Bestandteils dem ganzen
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