Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Physiologie der Ehe (German Edition)

Physiologie der Ehe (German Edition)

Titel: Physiologie der Ehe (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
Baumwollen- und Seidenwaren usw.«
    »Ich meine: da diese Steuern ein volles Dritteil der ganzen Staatseinnahmen ausmachen, so wären wir in großer Verlegenheit, wenn ...«
    »Jawohl, ein ausgezeichneter Musterehemann: wenn niemand sich betränke, spielte, rauchte und schnupfte, jagte mit einem Wort: wenn wir in Frankreich keine Laster, keine Leidenschaften, keine Krankheiten hätten, dann stände der Staat zwei Fingerbreit vor einem Bankrott; denn wie es scheint, beruhen unsere Renten auf der hypothekarischen Grundlage der öffentlichen Verderbtheit, wie unser Handel nur vom Luxus lebt. Nenn man ein wenig genauer hinsehen will, beruhen alle Steuern auf der Ausnützung einer moralischen Krankheit, und um diese philosophische Untersuchung fortzusetzen – ich würde Gendarmen ohne Pferde und Lederhosen sehen, wenn jedermann sich ruhig verhielte, und wenn es weder Dummköpfe noch Faulenzer gäbe. Zwingen Sie also doch einmal die Menschen zur Tugend! ... Nun meine ich, es bestehen zwischen meinen anständigen Frauen und dem Staatshaushalt mehr Beziehungen, als man glaubt; und ich erbiete mich. Ihnen dies zu beweisen, wenn Sie mir erlauben wollen, mein Buch so zu beendigen, wie ich es angefangen habe: nämlich mit einem kleinen statistischen Aufsatz. Wollen Sie mir zugeben, daß ein Liebhaber öfter ein weißes Hemd anziehen muß, als ein Ehemann oder ein nicht mit einer Liebschaft beschäftigter Junggeselle es tut? Das scheint mir zweifellos zu sein. Den Unterschied, der zwischen einem Ehemann und einem Liebhaber besteht, erkennt man schon am Äußern ihres Anzugs. Der eine verschmäht künstliche Schönheitsmittel, sein Bart bleibt oftmals längere Zeit unbeschnitten – der andere dagegen läßt sich stets nur in Wehr und Rüstung sehen. Sterne hat sehr witzig gesagt, das Rechnungsbuch seiner Wäscherin habe von allen ihm bekannten Abhandlungen über seinen Tristram Shandy den größten historischen Wert; aus der Anzahl der von ihm verbrauchten Hemden könne man darauf schließen, welche Stellen seines Buches ihm beim Schreiben die größte Mühe gemacht hätten. So ist auch bei Liebenden die Wäscherechnung der getreueste und unparteiischste Geschichtsbericht über ihre Liebe. Eine Leidenschaft erfordert nämlich eine erstaunliche Menge von Kragen, Krawatten und Kleidern, um den Ansprüchen der Koketterie zu genügen; denn ein ungeheurer Nimbus umgibt die blendende Weiße des Strumpfs, den Glanz eines Halskragens oder eines Spencers, die künstlerisch gelegten Falten eines Herrenhemds, die Anmut einer Krawatte und einer Halsbinde. Dies erklärt die Stelle in meiner zweiten Betrachtung, wo ich von der anständigen Frau sagte: »Fortwährend hat sie damit zu tun, ihre Röcke stärken zu lassen.« Ich habe mich bei einer Dame erkundigt, auf welche Summe diese von der Liebe auferlegte Brandschatzung veranschlagt werden könnte, und ich erinnere mich, daß sie diese für eine Frau auf hundert Franken jährlich festsetzte, dann aber mit einer gewissen Offenherzigkeit hinzufügte: »Aber das richtet sich ganz nach dem Charakter der Männer, denn es gibt unter ihnen manche, deren Ansprüche ganz unberechenbar sind.« Indessen kamen wir nach einer sehr gründlichen Untersuchung, wobei ich die Partei der Junggesellen und die Dame die ihres Geschlechts vertrat, dahin überein: daß zwei Liebende der gesellschaftlichen Kreise, mit denen unser Buch sich beschäftigt hat, zusammen, und eins und das andere berechnet, jährlich hundertfünfzig Franken mehr ausgeben müssen als in Friedenszeiten. Durch ein ähnliches freundschaftliches Übereinkommen stellten wir nach langem Hin- und Widerreden ferner fest, daß für alle andern Teile des Anzugs der Unterschied in der Ausrüstung auf Kriegsfuß und zu Friedenszeit zusammen etwa vierhundert Franken betrage. Diese Berechnung wurde sogar von allen männlichen und weiblichen kriegführenden Mächten, die wir befragten, für sehr knapp erachtet. Da uns mehrere Personen wichtige Aufklärungen über diesen heiklen Gegenstand gaben, so gerieten wir auf den Gedanken, einige kluge Köpfe bei einem Mahle zu vereinigen, damit wir bei diesen wichtigen Untersuchungen uns einer sachverständigen Führung erfreuen dürften. Glänzende Reden wurden improvisiert, und beim Gläserklang empfingen die nachstehenden Abschnitte des Staatshaushalts der Liebe eine Art gesetzgeberischer Weihe: eine Summe von hundert Franken wurde für Dienstmänner und Droschken zugebilligt. Fünfzig Taler schienen durchaus
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher