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Physiologie der Ehe (German Edition)

Physiologie der Ehe (German Edition)

Titel: Physiologie der Ehe (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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Mechanismus neue Triebkraft gegeben haben – so billigt dem Arbeiter einen Lohn zu. Wenn der Verfasser so unverschämt gewesen ist, allzu harte Wahrheiten zu sagen; wenn er zu oft Einzelfälle verallgemeinert hat; wenn er sich zu wenig um die Gemeinplätze bekümmert hat, deren man sich seit undenklichen Zeiten bedient, um den Frauen Weihrauch zu streuen – oh! so werde er gekreuzigt! Aber schreibt ihm keine feindseligen Absichten gegen die Einrichtung selbst zu: was er gesagt hat, richtet sich nur gegen die Frauen und gegen die Männer. Er weiß, daß die Ehe unangreifbar ist, solange sie nicht durch die Ehe selber umgestürzt ist. Und wenn so viele Klagen gegen diese Einrichtung laut werden, so geschieht dies im Grunde vielleicht nur deshalb, weil der Mensch nur für seine Leiden Gedächtnis hat, weil er seine Frau anklagt, wie er das Leben anklagt – denn die Ehe ist ein Leben im Leben. Indessen mag es Leute geben, die sich beim Lesen ihrer Zeitung selber ein Urteil zu bilden gewohnt sind, trotzdem aber über ein Buch herziehen, wenn es in der grundsätzlichen Durchführung des Eklektizismus zu weit gehen wollte. Wenn nun diese Leute durchaus etwas brauchen, was nach einem Schluß aussieht, so ist es nicht unmöglich, ihnen so einen zu finden. Und da dies Buch mit einigen Worten Napoleons begann – warum sollte es nicht ebenso schließen?
    In voller Sitzung des Staatsrats schleuderte der erste Konsul ein Donnerwort hervor, das ein Lobspruch und eine Satire auf die Ehe ist und zugleich den Inhalt unseres Buches wiedergibt:
›Wenn der Mann nicht alt würde, so wollte ich nichts davon wissen, daß er eine Frau nähme!‹

Nachschrift
    »Und werden Sie sich verheiraten?« fragte die Herzogin, der der Verfasser soeben sein Manuskript vorgelesen hatte. (Diese Herzogin war eine von den beiden Damen, deren scharfem Verstande der Verfasser bereits in der Einleitung seines Buchs seine Ehrerbietung bezeigt hat.)
    »Gewiß, Madame,« antwortete er. »Einer Frau zu begegnen, die kühn genug ist, von mir noch etwas wissen zu wollen, wird mir von jetzt an die teuerste Hoffnung sein.«
    »Ist das Resignation oder Geckenhaftigkeit?«
    »Das ist mein Geheimnis.«
    »Nun, mein Herr Doktor der ehelichen Künste und Wissenschaften – erlauben Sie mir, Ihnen eine kleine morgenländische Fabel zu erzählen, die ich mal in irgendeiner Sammlung gelesen habe, wie sie früher alljährlich in Almanachform erschienen. Im Anfang der Kaiserzeit brachten die Damen ein neues Spiel in Mode; es bestand darin, von der Person, die den Partner bei diesem Spiel machte, nichts anzunehmen, ohne das Wort ›Diadeste‹ zu sagen. Eine Partie dauerte, wie Sie sich wohl denken können, wochenlang, und die Hauptfeinheit bestand darin, den Gegner zu überraschen, indem er irgendeine Kleinigkeit annahm, ohne das vorgeschriebene Wort auszusprechen.«
    »Galt dies auch für einen Kuß?«
    »Oh! Auf diese Weise habe ich das ›Diadeste‹ zwanzigmal gewonnen!« sagte sie lachend. – »Es war, glaube ich, um jene Zeit, und weil gerade damals dieses Spiel von arabischem oder chinesischem Ursprung Mode wurde, daß meine Fabel der Ehre der Druckerschwärze gewürdigt wurde. – Aber wenn ich sie Ihnen erzähle,« sagte sie – und dabei unterbrach sie sich, um mit dem Zeigefinger ihrer Rechten auf eine reizend kokette Art ihren einen Nasenflügel zu kratzen – »so erlauben Sie mir, Sie an das Ende Ihres Buches zu stellen.«
    »Würde es nicht dadurch einen wahren Schatz erhalten? Ich habe gegen Sie bereits so viele Verpflichtungen, daß Sie es mir unmöglich gemacht haben, sie wieder wettzumachen. Ich bin also einverstanden.«
    Sie lächelte boshaft und begann ihre Erzählung:
    »Ein Philosoph hatte eine sehr umfangreiche Sammlung aller Streiche geschrieben, die unser Geschlecht den Männern spielen kann; und um sich gegen uns zu schützen, trug er dies Manuskript beständig bei sich. Eines Tages gelangte er auf einer Reise in die Nähe eines Araberlagers. Eine junge Frau, die im Schatten einer Palme saß, stand bei der Annäherung des Wanderers plötzlich auf und lud ihn so zuvorkommend ein, sich in ihrem Zelt auszuruhen, daß er nicht umhin konnte, die Einladung anzunehmen. Der Gemahl der Dame war augenblicklich abwesend. Kaum hatte der Philosoph sich auf einen weichen Teppich gesetzt, so bot seine anmutige Wirtin ihm frische Datteln und einen Krug von Milch; unwillkürlich bemerkte er die vollkommene Schönheit der Hände, die ihm das Getränk und die
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