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Physiologie der Ehe (German Edition)

Physiologie der Ehe (German Edition)

Titel: Physiologie der Ehe (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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Früchte darreichten. Um sich aber den Empfindungen zu entziehen, die die Reize der jungen Araberin in ihm erregten, ergriff der weise Mann sein Buch und begann zu lesen. Etwas empfindlich über diese Mißachtung, sagte das verführerische Weib mit der wohllautendsten Stimme zu ihm:
    ›Das Buch muß sehr interessant sein, da es allein dir würdig erscheint, um deine Aufmerksamkeit zu fesseln. Ist es unbescheiden von mir, wenn ich dich frage, von welcher Wissenschaft es handelt?‹
    Der Philosoph antwortete, ohne die Augen aufzuschlagen: ›Der Gegenstand dieses Buches gehört nicht zum Bereiche der Frau.‹
    Dieser abschlägige Bescheid des Philosophen erregte immer mehr die Neugierde der jungen Araberin. Sie streckte das hübscheste Füßchen vor, das jemals seine flüchtige Spur auf dem beweglichen Sande der Wüste zurückgelassen hatte. Der Philosoph wurde zerstreut; die Versuchung war für sein Auge zu groß, und bald wanderte es von diesen verheißungsreichen Füßen empor zu dem noch entzückendern Mieder; und nicht lange dauerte es, da verschmolz die Flamme seiner Bewunderung mit dem Feuer, das aus den glühenden schwarzen Augen der jungen Asiatin sprühte. Sie wiederholte ihre Frage nach dem Buche mit einer so lieblichen Stimme, daß der Philosoph entzückt antwortete:
    ›Ich bin der Verfasser des Buches, aber der Inhalt ist nicht von mir: es enthält nämlich alle Listen, die von den Frauen erfunden worden sind.‹
    ›Wie? alle ohne Ausnahme?‹ fragte die Tochter der Wüste.
    ›Ja alle, und nur durch ein beständiges Studium der Frauen bin ich dahin gelangt, sie nicht mehr zu fürchten.‹
    ›Ah!‹ sagte die junge Araberin und senkte die langen Wimpern ihrer weißen Augenlider.
    Hierauf warf sie plötzlich dem hochweisen Herrn einen so lebhaften Blick zu, daß er bald sein Buch und alle darin enthaltenen Streiche vergaß. Auf einmal ist mein Philosoph der allerverliebteste Mann. Da er im Benehmen der jungen Frau eine leichte Koketterie zu bemerken glaubte, so wagte der Fremde ein Geständnis. Wie hätte er auch widerstehen können? Der Himmel war blau, der Sand glänzte in der Ferne wie eine goldene Woge, der Wüstenwind brachte den Hauch der Liebe mit sich, und die Araberin schien alle Feuer zurückzustrahlen, von denen sie umgeben war. Die durchdringenden Augen des Philosophen wurden feucht; und mit einer Neigung des Kopfes, die diese lichterfüllte Atmosphäre in eine Wellenbewegung zu versetzen schienen, willigte die Araberin ein, die Liebesworte des Fremden anzuhören. Der Weise berauschte sich schon in den süßesten Hoffnungen, als plötzlich in der Ferne der Galopp eines anscheinend mit Flügeln begabten Pferdes sich hören ließ und die junge Frau ausrief:
    ›Wir sind verloren! Mein Gatte wird uns überraschen. Er ist eifersüchtig wie ein Tiger und noch unbarmherziger. Im Namen des Propheten, und wenn dir dein Leben lieb ist, verstecke dich in dieser Truhe!‹
    Der Buchschreiber bekam Angst; er sah keinen Ausweg aus dieser bösen Lage und kroch in die Truhe hinein; die Frau sperrte den Deckel zu und steckte den Schlüssel zu sich. Dann ging sie ihrem Gatten entgegen, und nachdem sie ihn mit einigen Liebkosungen begrüßt hatte, die ihn in gute Stimmung versetzten, sagte sie:
    ›Ich muß dir ein recht seltsames Abenteuer erzählen.‹
    Der Araber setzte sich auf einen Teppich, kreuzte nach morgenländischer Sitte die Beine und antwortete:
    ›Ich höre, meine Gazelle.‹
    ›Heute kam eine Art Philosoph. Er behauptet, in einem Buche alle Schelmenstreiche gesammelt zu haben, deren mein Geschlecht fähig ist, und dieser vorgebliche Weise hat mir von Liebe gesprochen.‹
    ›So? und ...?‹ schrie der Araber.
    ›Ich habe ihn angehört!‹ antwortete sie kaltblütig; ›er ist jung, stürmisch und ... du bist gerade zur rechten Zeit angekommen, um meiner wankenden Tugend beizustehen!‹
    Der Araber machte einen Satz wie ein Löwe und riß brüllend seinen Handschar aus dem Gürtel. Der Philosoph, der in seiner Truhe jedes Wort hörte, wünschte sein Buch, die Weiber und alle Männer des steinigen Arabiens zu Ahriman.
    ›Fatme!‹ rief der Gatte; ›wenn dir etwas an deinem Leben liegt, so antworte! Wo ist der Schurke?‹
    Erschreckt über das Gewitter, das sie zu ihrem Spaß heraufbeschworen hatte, warf sich Fatme ihrem Mann zu Füßen. Unter dem drohenden Stahl des Dolches zitternd, bezeichnete sie mit einem einzigen ebenso schnellen wie furchtsamen Blick die Truhe. Mit schamroten Wangen
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