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Philosophenpunsch

Philosophenpunsch

Titel: Philosophenpunsch
Autoren: Hermann Bauer
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und Journalen herumblätterte und seit mehr als einer Stunde an einem kleinen Braunen herumzuzelte. Neben sich hatte sie einen prall gefüllten Rucksack stehen. Eine Studentin, die kein Geld einstecken hat, schlussfolgerte Leopold. Von der ist nicht viel zu erwarten. Aber wenigstens lächelt sie mich jedes Mal freundlich an, wenn ich bei ihr vorbeikomme. Ich glaube, die kenne ich sogar. Die war früher einmal öfters hier.
    Kaum begann er jedoch, in seiner Erinnerung zu kramen, sicherte sich Thomas Korber seinen Stammplatz an der Theke und bestellte lautstark seinen Kaffee. »Na, wie geht’s, Leopold?«, erkundigte er sich dann und fragte mit einem Seitenblick auf Frau Heller: »Was ist denn mit der heute los?«
    »Es ist jedes Jahr dasselbe«, erteilte Leopold Auskunft. »Weihnachten kommt, und die Chefin wird sentimental. Sie wartet auf ein bisserl was Weißes von oben, dann geht’s ihr wieder besser.«
    »Ja, Weihnachten. Das lässt eben immer noch niemanden kalt. Außer vielleicht mich«, meinte Korber augenzwinkernd, während er in seiner Kaffeetasse umrührte.
    »Was wirst du denn zu Weihnachten Schönes machen?«, fragte Leopold vorsichtig.
    »Das weißt du doch genau«, sagte Korber. »Ich werde mich mit einer Flasche Rotwein vor den Fernseher setzen und den Abend so richtig genießen. Das Programm ist gar nicht so übel. Wenn ich da an früher denke …«
    »Also wieder allein«, murrte Leopold. »Das ist typisch. Anstatt dass du einmal mit jemandem gemeinsam …«
    »Aber mit wem soll ich denn feiern?«, fiel Korber ihm ins Wort. »Meine Eltern wohnen in Baden, 30 Kilometer von hier, aber ohne Auto ist das ein ganz schönes Stück. Und dann noch mitten in der Nacht zurück. Nein, das ist nichts, die besuche ich lieber am Stefanitag. Und sonst? Fortgehen mag ich nicht. Ich brauche Ruhe, in der Schule ist es jetzt ohnehin so hektisch.«
    »Es gibt auch noch andere Möglichkeiten«, versuchte Leopold, eine Andeutung zu machen. Dabei fiel sein geschulter Blick wieder auf das junge Mädchen beim Fenster, das jetzt wie wild nach vorn gestikulierte. Er füllte deshalb erneut ein Glas mit Wasser und brachte es an ihren Tisch. Aber diesmal schien sie ihn gar nicht zu beachten. Es war Korber, den sie anstrahlte. »Thomas!«, rief sie. »Thomas, so schau doch endlich her. Erkennst du mich denn gar nicht?«
    »Mein Gott, Julia!«, entfuhr es Korber, der sich soeben eine Zigarette in den Mund stecken wollte. »Was machst du denn da?«
    »Auf dich warten«, antwortete sie und winkte ihn dabei zu sich. »Macht es dir etwas aus, meinen Kaffee zu zahlen? Ich bin im Augenblick verdammt knapp bei Kasse.«
    »Nein, nein, kein Problem.« Korber lächelte verlegen. »Wie geht es dir?« Er setzte sich ein wenig gedankenverloren zu Julia an den Tisch. Julia Leichtfried war eine ehemalige Schülerin von ihm, die vor zwei oder drei Jahren maturiert hatte. Seither hatte er sie nicht mehr gesehen. Was tat sie hier? Und warum behauptete sie, sie habe auf ihn gewartet?
    »Im Moment geht’s mir gar nicht gut«, seufzte Julia. »Mit einem Wort: Ich sitze so richtig in der Tinte. Mein Freund hat mich hinausgeworfen. Einfach so. Und das vor Weihnachten.«
    »Das ist nicht schön«, gab ihr Korber recht. »Aber wenn es mit euch nicht mehr geklappt hat, ist es wahrscheinlich besser so.«
    »Von wegen. Kannst du mir bitte sagen, wo ich schlafen soll?«
    Korber erinnerte sich, dass Julia aus einem intakten Elternhaus kam. »Ich denke, dein Vater und deine Mutter werden nichts dagegen haben, dich wieder bei sich aufzunehmen«, sagte er.
    »Das ist es ja gerade, was überhaupt nicht geht«, erklärte Julia ihm. »Ich bin damals wegen Freddy mit großem Tamtam von zu Hause ausgezogen. Mein Vater hat deswegen einen halben Herzinfarkt gekriegt. Er hat mich angebrüllt, dass alles schieflaufen würde, ich aber dann ja nicht mehr zu Mutter und ihm zurückzukommen bräuchte.«
    »Aber zu Weihnachten wird es doch nicht gar so streng abgehen. Da werden sie schon ein Platzerl für dich haben, bis du etwas anderes gefunden hast«, versuchte Korber, sie zu beschwichtigen.
    »Die arme Studentin wird wieder in den Kreis der Familie aufgenommen? Und versammelt sich mit den anderen reumütig unterm Christbaum, dass sogar dem Papa eine Träne im Aug zerquillt? Niederlage! Du glaubst doch selbst nicht, dass ich das tue«, erklärte Julia entschieden.
    »Dann gibt’s sicher eine Freundin, bei der du kurz unterschlüpfen kannst«, überlegte Korber.
    »Gäbe
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