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Philosophenpunsch

Philosophenpunsch

Titel: Philosophenpunsch
Autoren: Hermann Bauer
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deiner Wohnung. Könntest du vielleicht in der Zwischenzeit meinen Rucksack …«
    »Mitnehmen? Ja, natürlich! Und den Kaffee zahlt der Herr Professor natürlich auch. Er wird überhaupt in nächster Zeit so einiges bezahlen, wenn ich mich nicht sehr täusche.« Leopold, der plötzlich wieder neben den beiden stand, machte seinem Ärger ordentlich Luft. Den gemeinsamen Heiligen Abend mit seinem Freund Thomas konnte er sich jetzt wohl in die Haare schmieren.
     
    *
     
    Kein gemeinsames Fest, kein Verbrechen. Leopold war über die Entwicklung der Dinge alles andere als glücklich. »Ich verstehe dich nicht. Wie kannst du dir so etwas antun, jetzt, knapp vor Weihnachten?«, fragte er Korber, kaum dass Julia gegangen war.
    Korber prüfte das Gewicht des Rucksackes. »Was hätte ich denn tun sollen?«, verteidigte er sich achselzuckend. »Irgendwie muss man dem Mädchen doch helfen. Immerhin war sie meine Schülerin, eine gute auch noch dazu. Außerdem: Hast du dich nicht gerade vorhin darüber ausgelassen, dass ich zu Weihnachten ständig allein bin?«
    »Das heißt ja nicht gleich, dass du dich mit dem nächstbesten Mädchen, das hereinschneit, unter den Christbaum legen sollst«, reagierte Leopold wütend.
    »Jetzt tust du Julia aber gewaltig Unrecht.«
    »Unrecht? Sei vorsichtig. Das Mädchen hat keinen Groschen Geld in der Tasche. Das werden teure Feiertage.«
    »Und wenn schon. Es kommt der Heilige Abend, Leopold. Da soll man Gutes tun. Die Arme tut sich sonst vielleicht noch etwas an.«
    »So hat sie mir nun wirklich nicht ausgeschaut. Eher so, als ob sie dir etwas antun würde.«
    Korber zog die Augenbrauen in die Höhe. »Oh, sind der Herr etwa eifersüchtig?«, fragte er mit leisem Spott. »Ich kann leider nichts dafür, dass du dich zum Weihnachtsfest immer einmauerst und keinen Menschen sehen willst. Ich bin eben ein offener Mensch. Ich muss dir ja nicht alles nachmachen.«
    »Musst du nicht. Musst du überhaupt nicht«, grantelte Leopold weiter. »Aber eine gewisse Ordnung solltest du schon in deine Weibergeschichten bringen. Warst du nicht unlängst mit der Bauer Geli im Kino? Hast du mir nicht vorgeschwärmt, wie prächtig ihr euch unterhalten habt? Na, die wird schön schauen, wenn sie erfährt, wie großzügig du auf einmal über die Feiertage Logis gibst.«
    Korber musste zugeben, dass er sich in letzter Zeit ein wenig für Geli, die vor einigen Jahren auch zu seinen Schülerinnen gehört hatte, interessierte, und er wusste, dass Leopold die Entwicklung dieser Beziehung mit besonderem Interesse verfolgte. »Das mit der Geli läuft auf rein freundschaftlicher Basis«, entgegnete er schnell. »Und die Geschichte mit Julia ist ein Akt der Nächstenliebe, sonst nichts. Ich sehe nicht, warum es da zu irgendwelchen Problemen kommen sollte.«
    »Wie du meinst. Wenn der Herr alles im Griff hat – wozu ich mich jetzt nicht mehr äußere – , ist es ja gut. Aber verlang ja nicht, dass ich dir zur Seite stehe, wenn du dich wieder einmal nicht auskennst. Diese Weihnachten brauche ich meine heilige Ruhe, da will ich niemanden hören und niemanden sehen.«
    »Na schön, ich muss jetzt gehen. Vielleicht sehen wir uns ja noch am Abend, beim Philosophenzirkel. Ich hoffe, es geht sich aus. Das ist heute wieder ein furchtbar komplizierter Tag«, sinnierte Korber. Dabei fasste er kurz in die Innentasche seines Mantels. »Ach ja, ehe ich es vergesse«, erinnerte er sich plötzlich. »Da habe ich noch diesen Brief von deiner Tante Agnes. Du wolltest ihn mir gestern zeigen. Dann hast du ihn auf meinen Schulnotizen liegen lassen, und ich habe ihn aus Versehen eingesteckt.«
    Korber nahm das immer noch verschlossene Kuvert heraus. Am Vortag war Leopold plötzlich damit vor ihm aufgetaucht und hatte behauptet, er bekäme eben im Gegensatz zu Korber noch Weihnachtspost von Verwandten. Es hätte der Ausgangspunkt zu einer kleinen Pflanzerei werden sollen, aber über einer größeren Bestellung, um die sich Leopold kümmern hatte müssen, war der Brief schnell wieder in Vergessenheit geraten und schließlich ungeöffnet in Korbers Schultasche gelandet.
    »Ja, die Tante Agnes aus Weitra im Waldviertel«, entfuhr Leopold jetzt wieder ein Lächeln. »Die schreibt halt noch richtige Weihnachtsgrüße, keine E-Mails und so.«
    »Woher willst du das wissen? Du hast den Brief immer noch nicht aufgemacht.«
    »Mein Gott, was soll die Agnes denn sonst schreiben?« Hastig nahm Leopold das Kuvert in die Hand. Es würde doch nichts passiert
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