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Philosophenpunsch

Philosophenpunsch

Titel: Philosophenpunsch
Autoren: Hermann Bauer
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Tage bei mir. Wir mögen uns. Was ist also dabei, wenn wir …«
    »Schon gut«, unterbrach ihn Leopold. »Du hast recht, im Grunde geht mich ja das nichts an. Andererseits: mitgehangen, mitgefangen! Ich muss dich dringend ersuchen, jetzt noch schnell einen Anruf bei ›Licht ins Dunkel‹ zu tätigen und dort eine anständige Spende aufzugeben, sagen wir 100 Euro oder noch besser 200.«
    »Du spinnst wohl«, entfuhr es Korber. »Mir ist nicht zum Scherzen zumute. Ich habe noch nie etwas für ›Licht ins Dunkel‹ gespendet.«
    »Dann ist es ja höchste Zeit!«
    »Jetzt sag bloß, das ist die Strafe für mein kleines Liebesabenteuer.«
    »Nur bedingt«, bemerkte Leopold. »Hauptsächlich ist es die Strafe dafür, dass deine neue Freundin Julia ein ganz schön ausgefuchstes Luder ist. Sie war es, die Mario Schweda bestohlen hat, nicht Veronika Plank. Ich habe die Auseinandersetzung zwischen Veronika und Schweda gesehen. Sie ist mit ihren Händen nie auch nur in die Nähe seiner Taschen gekommen. Sie kann’s also nicht gewesen sein. Und wer ist vorher die ganze Zeit neben dem angeheiterten Schweda gesessen und brauchte nur einen Griff zu machen, um die Scheine aus seiner Tasche zu ziehen? Deine Julia!«
    »Leopold, du träumst!«
    »Ich träume nicht. Wer sonst hätte es tun sollen? Schweda sagen wir davon besser nichts, er rastet sonst wieder aus. Außerdem hat er sich ja ein bisschen Kohle von der toten Veronika Plank besorgt. Aber irgendeine Buße muss sein. Und da Julia vermutlich ziemlich flach ist, wirst du herhalten. Du kannst es dir ja später von ihr zurückholen.«
    Korber wiegte den Kopf ungläubig hin und her. »Es ist wahr«, hörte er da Julias Stimme. »Ich habe mir das Geld damals genommen. Ich wollte zuerst nicht, aber es sah aus, als würde es jeden Augenblick herausfallen. Der hat ohnehin genug, dem geht das nicht ab, und ich kann’s dringend brauchen, habe ich mir gedacht. Du musst das verstehen, Thomas. Bitte!«
    Korber sah sie mit fragenden Augen an. »Sei ehrlich! Hast du von mir auch …?«
    »Nein«, beeilte sich Julia zu sagen. »Das heißt, nicht wirklich. 50 Euro habe ich mir ausgeborgt, aber die bekommst du, sobald ich wieder bei Kasse bin. Tatsache!«
    Korber fiel buchstäblich die Gesichtslade herunter. Julia berührte kurz seinen Arm, dann drehte sie sich verschämt von ihm weg.
    »Das Schönste am Verliebtsein sind die ständigen Überraschungen«, kommentierte Leopold süffisant. »Das hält jung. Und jetzt komm und überweise endlich das Geld an die armen Kinder. Brauchst du vielleicht die Telefonnummer?« Er winkte mit einem Zettel.
    Korber verneinte. Mehr oder minder teilnahmslos gab er telefonisch seine Spende ab, Leopold immer mit wachem Ohr an seiner Seite. Kaum war er fertig, klatschte Frau Heller in die Hände und bat alle Anwesenden, sich um den Christbaum und die darunter liegenden Geschenke zu versammeln.
    Die Zeremonie begann. Ein kleiner CD-Player wurde eingeschaltet, Glöckchen erklangen, und Frau Heller stimmte das Lied ›Stille Nacht‹ an. Nach und nach begannen alle zu singen, zuerst zurückhaltend mit vorsichtigem Blick zum Nachbarn, dann immer lauter werdend, ehe bei der ›himmlischen Ruh‹ alle tonalen Möglichkeiten voll ausgeschöpft waren. Das Licht war so schön schummrig, dass sich niemand genieren musste, dabei ein leichtes feuchtes Glitzern in den Augen zu bekommen.
    Jetzt wurden die Geschenke ausgepackt. Man dankte einander, prostete sich mit einem Glas Sekt zu, wünschte frohe Weihnachten, war glücklich und zufrieden. Agnes Windbichler hielt es vor lauter Neugier nicht aus. »Du weißt ja schon, was du von mir bekommst«, schmunzelte sie und tätschelte Leopold liebevoll am Oberarm. »Aber was mag da wohl drinnen sein?« Vorsichtig wiegte sie Leopolds Paket in beiden Händen. »Schwer ist es ja nicht«, befand sie.
    Sie öffnete das Päckchen so langsam, als gälte es, eine Werbepause im Fernsehen zu überbrücken. Dabei verzog sie immer mehr ihr Gesicht. »Ein Schal?«, fragte sie pikiert.
    »Ja, ein schöner seidener«, sagte Leopold stolz. »Mit Liebe ausgesucht. Gegen die Kälte im Waldviertel.«
    »Es ist furchtbar«, schüttelte die Tante verzweifelt den Kopf. »Was soll ich zu solchen Weihnachten mit dir, meinem Neffen, sagen? Nicht nur, dass du es kaum der Mühe wert befunden hast, deine Zeit mit mir zu verbringen; dass es dir egal war, ob ich in eine festliche Stimmung komme oder nicht; dass dir jeder dahergelaufene Mörder lieber war als
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