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Pharmakon

Pharmakon

Titel: Pharmakon
Autoren: Robin Cook
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Zeitabschnitte auf, bis schließlich von irgendwo tief in ihrem Wesen ein neuer Ausbruch an Energie kam. Sie spürte einen unwiderstehlichen Drang, halb freiwillig, halb unfreiwillig zu drücken und zu gebären. Ein Crescendo an Druck ließ sie fühlen, sie sei bis an die Grenzen gespannt, und doch drückte sie noch weiter und hielt den Atem an.
    Plötzlich spürte sie eine fast sinnliche Befreiung, begleitet von einem Erguß an Flüssigkeit und dem aufregenden schrillen Schreien eines neugeborenen Babys, das zum erstenmal seine Stimmbänder benutzte.
    Indem sie ihre Augen öffnete, ergriff Jennifer Adams Hand mit dem wenigen an Kraft, das ihr noch geblieben war. Als sie in sein Gesicht blickte, konnte sie sehen, daß seine Aufmerksamkeit direkt zwischen ihre ausgestreckten Beine gerichtet war. Mit einem schrecklichen Gefühl von Angst beobachtete sie ihn. Kein Test hatte ihre Sorge über die Gesundheit und das Wohlergehen des Kindes in ihr zerstreuen können. Ärzte im Universitätskrankenhaus hatten die Amniocentesis wiederholt und berichtet, das Baby sei normal; aber nach all dem, was geschehen war, hatte Jennifer Schwierigkeiten, das zu glauben.
    Sie beobachtete Adam, um festzustellen, wie sich der Anblick der Katastrophe auf seinem Gesicht widerspiegeln würde. Sie wollte ihm ansehen, wie ihr Kind war, und es nicht selbst sehen müssen. Wie sie erwartet hatte, lächelte er nicht und zuckte auch mit keiner Wimper. Nach dem, was ihr als eine viel zu lange Zeit erschien, senkte er seine Augen, um in ihre zu schauen, und nahm ihren Kopf in die Arme. Er sprach sanft, sensibel für ihre Empfindungen. Zuerst sagte er ihr, daß er sie liebe.
    Jennifers Herz schien stillzustehen. Sie hielt den Atem an, obgleich der körperliche Schmerz aufgehört hatte, und wartete auf die unausweichlichen, gefürchteten Nachrichten. In ihrem Herzen hatte sie es die ganze Zeit gewußt. Sie hätte auf niemanden hören sollen, sagte sie sich jetzt. Sie hatte die ganze Zeit seit der Verwechslung im Labor der Julian-Klinik ein schlechtes Gefühl gehabt, auch wenn das damals mit Absicht geschehen war.
    Adam befeuchtete mit der Spitze seiner Zunge die Lippen. »Wir haben einen schönen, gesunden Jungen, Jennifer. Glücklicherweise ähnelt er dir.«
    Es dauerte einen Augenblick, bis Adams Worte sie wirklich erreichten. Als sie sie schließlich verstand, traten ihr Tränen des Glücks und des Dankes in die Augen. Sie versuchte zu sprechen, konnte aber nicht. Sie schluckte. Dann reichte sie hinauf und zog Adam herunter und umarmte seinen Kopf, so fest sie konnte. Sein Lachen gab der Freude und Erleichterung in ihrem Herzen Stimme. Das einzige, das sie tun konnte, war, Gott zu danken.
     
    *
     
    Adam sammelte sich, glättete seine chirurgische Garnitur und trat aus dem Kreißsaal in das Wartezimmer der gynäkologischen Abteilung des Universitätskrankenhauses. Ein Blick war genug. Es war schwer zu glauben, aber die Nachricht , die er während der letzten Phasen von Jennifers Wehen bekommen hatte, war korrekt. In einer Gruppe von zukünftigen Vätern saß sein eigener Vater, Dr. David Schonberg.
    Dr. Schonberg trat seinem Sohn entgegen, sobald dieser das Zimmer betreten hatte.
    »Hallo, Adam«, sagte er in seiner gewöhnlich kühlen Art.
    »Hallo, Vater«, sagte Adam.
    Dr. Schonberg rückte seine Brille höher auf die Nase. »Wie ist es, wieder zurück im Medizinstudium zu sein?«
    »Schön«, sagte Adam. »Ich bin so froh, weitermachen zu können. Das Aufholen im Pensum hat mir kaum etwas ausgemacht.«
    »Gut zu hören«, sagte Dr. Schonberg. »Wie geht es Jennifer?«
    Adam starrte seinen Vater an. Es war das erste Mal, daß der Mann Jennifer bei ihrem Namen genannt hatte.
    »Es geht ihr gut«, antwortete Adam.
    »Und wie steht es mit dem Baby?«
    »Das Baby ist ein gesunder, schöner Junge«, sagte Adam.
    Zu Adams absoluter Verblüffung sah er etwas, das er nie zuvor gesehen hatte: Tränen in den Augen seines Vaters. Bevor ihm der Schock ganz bewußt werden konnte, waren die Arme seines Vaters um ihn und hielten ihn fest an sich gedrückt. Ein weiteres »erstes Mal«. Jetzt umarmte auch Adam seinen Vater. Auch in Adams Augen formten sich Tränen, und die beiden standen da, hielten einander so lange, daß einige der Männer, die in Kürze Vater werden sollten, zu starren begannen.
    Schließlich schob ein irgendwie verlegener Dr. Schonberg Adam zurück, hielt aber liebevoll dessen Arm fest. Sie sahen sich gegenseitig in die Augen und lachten dann
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