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Aegypten

Aegypten

Titel: Aegypten
Autoren: Thilo , Katrin Merle
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Die Überschwemmung
    „Der Schlamm kommt!“ Dieser unheilvolle Ruf ließ den 10jährigen Pepi von seinem Schlaflager hochschrecken. Es musste früh am Morgen sein, denn im Haus war alles noch ganz still. Auch der Ochse im Stall hatte noch nicht gebrüllt. Pepi wand sich aus dem Arm seines Bruders, stieg leise über die anderen fünf schlafenden Geschwister hinweg und eilte vor die Hütte. Der höchste Gott der Ägypter Re begann eben erst in seiner Sonnenbarke die Reise über den Himmel. Trotz der frühen Stunde waren die Straßen von Assiut schon voller aufgeregt rufender Männer.
     
     
    „Der Schlamm kommt!
    Der Schlamm!“,
    wiederholte ein Bauer verzweifelt.
    Sein Rock war
    mit Matsch verschmiert.
     
     
    Mit hastigen Schritten lief der alte Mann vom Nil aus in die Stadt und verkündete lauthals die Katastrophe.

    „Der Schlamm kommt!“ Ungläubig schüttelte Pepi den Kopf. Das konnte nicht stimmen. Schemu, die Jahreszeit der Ernte, war doch noch gar nicht richtig angebrochen.

    Pepi bahnte sich einen Weg durch die Menschenmenge. Er musste sich selbst ein Bild machen. Aufgeregt rannte er durch den Hain der Dattelpalmen zum großen Fluss.
    Der Nil war die Lebensader von ganz Ägypten. Das wusste Pepi längst. Jedes Jahr trat er über die Ufer und überschwemmte das Land. Wenn sich das Wasser dann wieder zurückzog, blieb fruchtbarer Schlamm zurück. So konnten die Ägypter hier ihr Getreide anbauen – wie Semset, Pepis Vater. Mitten in der lebensfeindlichen Wüste war ein schmaler grüner Streifen Ackerland entstanden.
     
     
    Ohne den Nil, dachte Pepi,
    während er über eine Kuhweide rannte,
    gäbe es hier gar kein Ackerland,
    sondern nur Wüste.

     
     
    Aber der Nil blieb unberechenbar. Auch wenn der Wesir und andere Beamte des Pharao immer wieder versuchten, den Zeitpunkt und die Höhe der alljährlichen Überschwemmung vorauszusagen, trafen die Voraussagen oft nicht zu. Und dann raubte der große Fluss die Geschenke, die er im Jahr vorher so großzügig verteilt hatte.
    So wie heute ...
    Endlich erreichte Pepi die Felder seines Vaters. Geschockt biss er sich auf die Hand. Es stimmte. Der Nil hatte die Felder überschwemmt. Viel zu früh.
    Die meisten Bauern hatten mit ihren Sicheln den Großteil ihrer Ernte bereits geschnitten. Mit Ochsenkarren wurde das Getreide in die Speicher gebracht.
    Semset hatte seine Ernte jedoch noch nicht eingebracht. Mitten in der Erntezeit war sein siebtes Kind geboren worden. Die Sieben war Semsets heilige Glückszahl. Das musste gefeiert werden! Deshalb hatte die Ernte warten müssen. Und jetzt das!
    Pepi watete mit nackten Füßen durch den Schlamm. Traurig ging er in die Hocke und zog einen abgeknickten Halm aus dem Wasser.

     
     
    Das Korn war nass und schmutzig.
    Ihre gesamte Ernte würde verfaulen.
    Wie sollte sein Vater nun
    seine Schulden zahlen?

Eine Lösung für Semset
    Semset hockte auf der Bank vor seinem Haus im Schatten. „Ist es sehr schlimm?“, fragte er seinen Sohn matt flüsternd.
    Pepi hätte seinem Vater gerne bessere Nachrichten gebracht, aber er konnte ja nicht lügen. Also nickte er stumm, setzte sich neben Semset und legte den Arm um ihn. Manchmal brauchten auch Erwachsene Trost. Es schien zu wirken. Als Pepis jüngster Bruder hungrig zu schreien begann, strahlten die Augen seines Vaters wieder hoffnungsvoll.

    „Sieben ist meine Glückszahl“, verkündete Semset mit kraftvoller Stimme. Er sah zum Himmel. „Re wird sich schon etwas dabei gedacht haben, dass er mir diese Prüfung auferlegt.“
    Er legte Pepi seine starke Hand auf die Schulter.
     
     
    „Pepi, mein Ältester,
    gehe zu unserem Kornspeicher
    und berechne, wie lange
    unsere Vorräte noch reichen werden.“
     
     
    Pepi sprang auf. So kannte er seinen Vater. Selten mutlos, nie verzweifelt. Semset sah meist in allem das Gute. Er war Pepis großes Vorbild. Nur rechnen, das konnte er selbst besser als sein Vater.
    „Ich gehe schon!“, verkündete Pepi.
    In diesem Augenblick kam Atti die Straße herunter. Dass Atti kein Bauer war, konnte man an dem Goldschmuck um seinen Hals sofort erkennen. Er war Händler. Gegen Getreide, Fleisch, Gemüse oder Gold konnte man bei ihm fast alles bekommen.
    „Semset!“, rief er dröhnend schon von weitem. Sein gewaltiger Bauch wippte. „Ich habe gehört, du sollst Pech gehabt haben?“

    Semset stand auf. Er nickte.
     
     
    „Du bekommst dein Korn,
    wie abgemacht.
    Aber nicht heute.
    Den Rest unserer Vorräte
    brauchen wir selbst,
    um
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