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Phantastische Weihnachten: 24 Geschichten zum Weihnachtsfest (German Edition)

Phantastische Weihnachten: 24 Geschichten zum Weihnachtsfest (German Edition)

Titel: Phantastische Weihnachten: 24 Geschichten zum Weihnachtsfest (German Edition)
Autoren: Verschiedene Autoren
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herbeigefegt kam und die verbrannten Überreste zerstob. Zurück blieben deren verschmähte Gaben. Alles war wieder so, wie es der Herr der Finsternis gerne hatte, und dies kam ihm immer noch wie das beste aller Geschenke vor.

23. Dezember
Geburtstagsständchen
Von Martin Johannson
    „Was an diesem Abend heilig sein soll, frage ich mich.“ Der Typ in der Tankstelle stand knurrend hinter dem Tresen. „Es ist nur ein Geburtstag, ein alberner Geburtstag. Andre fahren an ihrem Geburtstag in den Urlaub, um nervende und saufende Gäste zu vermeiden. Aber ich hab mal wieder die Arschkarte gezogen.“
    Ein Kunde trat ein, bezahlte seine Rechnung mit Kreditkarte. „Fröhliche Weihnachten“, sagte er gut gelaunt und sah auf das Namensschild an der Jacke, „Jesus.“
    „Ja ja, fröhlich wird es“, knurrte Jesus. „Heute ist mein Geburtstag. Meine Mutter kommt und singt mir ein Ständchen, meine Ex heult mir die Ohren voll, weil sie wieder mit mir zusammenkommen will. Und irgendein entfernter Onkel schickt mir eine Karte von irgendeinem Ort, wo es immer warm ist.“
    Der Kunde zuckte mit den Schultern. „Ich habe morgen in einer Woche Geburtstag, am Neujahrstag. Denkst du, zu mir kommt jemand zum Feiern? Die sind alle noch total blau und würden mir nur die Bude vollkotzen. Kein Schwein singt für mich, die schleppen sich nicht einmal ans Telefon, um mir durch den Hörer zu gratulieren. Das ist echt Scheiße.“
    „Verdammt, das ist wirklich beschissen.“
    Jesus zog eine betrübte Miene, der Kunde zuckte erneut mit den Schultern. „So ist das Leben.“
    „Und was machste heute? Einen auf Familie?“
    „Meine Frau ist abgehauen, mit ihrem Yogalehrer durchgebrannt. Ich treff mich mit einem Freund, der heißt Jim oder Jack, weiß noch nicht.“
    „Ich hätt nen Johnny. Trinkste jetzt schon einen mit?“
    „Klar.“ Der Mann lehnte sich auf den Tresen, hinter dem Jesus ins Regal mit den Whiskyflaschen griff und danach zwei Gläser hervorholte. Das Getränk gluckerte leise, als es in die Gläser floss.
    „Und deine Ex? Was macht die so?“, fragte der Kunde.
    „Sie ist Hostess, wie das jetzt auf Neudeutsch heißt. Escort-Service. Sie selbst bevorzugt es, als Model bezeichnet zu werden, aber das interessiert eh keinen, was die denkt.“
    „Escort, echt? So was lässt du gehen?“
    „Musste ich. Sie nahm die Arbeit nie mit nach Hause.“
    Der Kunde lachte. „Das ist Scheiße.“
    Jesus hob sein Glas. „Prost. Auf die Exen.“
    „Prost.“
    Die beiden tranken ihr Glas leer.
    Der Kunde blickte hinaus in den trüben Tag, der immer dunkler wurde. Dürre Schneeflocken flatterten durch die rauchgeschwängerte Luft.
    „Ich wäre jetzt auch lieber irgendwo, wo es immer warm ist. Muss schön sein.“
    „Ja, ich auch“, erwiderte Jesus. „Hab einen Onkel, der es sich gut gehen lässt. Das war das Beste, was ihm je passieren konnte, dass er von der Familie verstoßen wurde.“
    Jesus goss Whisky in die Gläser nach.
    „So richtig verstoßen? Ganz old school?“
    „Ja, so richtig. Keiner will mehr was mit ihm zu tun haben.“
    „Was hat er gemacht?“
    Jesus zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Das ist schon lange her, vor meiner Zeit. Wahrscheinlich war meine Mutter sauer auf ihn wegen irgendwas, was ihr nicht in den Kram gepasst hat. Aber er ist zufrieden. Sitzt in der Wärme und sammelt coole Typen um sich.“
    „Da wird sich deine Mutter aber ärgern.“
    „Ich denke nicht. Die hat viel zu viel zu tun, als dass sie sich darum schert, was die Verwandtschaft so treibt.“
    „Was macht sie?“
    „Sie ist Schriftstellerin. Hat ein Buch geschrieben, allerdings unter Pseudonym. Es heißt ‚Die Bibel‘. Kennste vielleicht.“
    „Hab ich schon mal gehört. Wie lautet das Pseudonym?“
    „Gott.“
    „Was für ein scheiß Name. Ist ihr nichts Besseres eingefallen?“
    „Nee, aber das Buch ist ein Hammer-Bestseller geworden. So ein Glück muss man haben.“
    „Verkauft sich’s besser als ‚Harry Potter‘?“
    „Ja, besser.“
    „Das ist echt gut, Mann.“
    „Ja. Prost.“ Jesus hob sein Glas und trank. Der Kunde ebenfalls.
    „Schreib doch auch mal ein Buch“, schlug der Kunde vor. „Nenn dich ‚Gottes Sohn‘ und schreib was richtig Geiles. Einen Porno oder so. Mit viel Gewalt und Action.“
    „Hm, vielleicht mach ich das mal. Willste eigentlich noch was anderes?“
    „Was denn?“
    Jesus griff unter den Tresen und holte eine kleine Tüte hervor, in der sich feines, weißes Pulver befand.
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